Human Rights Watch zu Syrien: "Verbrechen gegen die Menschlichkeit"

In Syrien geht die Armee immer brutaler gegen die Opposition vor. Menschenrechtler fordern die Arabische Liga auf, den Druck auf das Assad-Regime zu erhöhen.

110 Interviews mit Menschen aus Homs hat Human Rights Watch geführt. Bild: dapd

KAIRO dpa | Menschenrechtler prangern das brutale Vorgehen des syrischen Regimes in der Protesthochburg Homs als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" an. Die Organisation Human Rights Watch (HRW) beklagte in einem am Freitag veröffentlichten Bericht vor allem die Brutalität der Sicherheitskräfte gegen Zivilisten. Dazu gehörten auch Folter und außergerichtliche Hinrichtungen. Die Arabische Liga wird aufgefordert, den Druck auf Syrien zu erhöhen.

In dem 63 Seiten langen Bericht ist von mindestens 104 Toten allein in Homs seit dem 2. November die Rede. An diesem Stichtag hatte die syrische Regierung einem Friedensplan der Arabischen Liga zugestimmt und versprochen, das Blutvergießen zu beenden. Die für den Nahen Osten zuständige Direktorin, Sarah Leah Whitson, sagte, inzwischen sei die Stadt ein "Mikrokosmos der Brutalität" der syrischen Regierung geworden. Auch am Freitag wurden in der Provinz Homs nach Angaben der Opposition wieder drei Menschen von Regimekräften getötet.

Die Menschenrechtler rufen die Arabische Liga auf, die Mitgliedschaft Syriens in der Organisation ruhen zu lassen. Zudem sollten die arabischen Staaten den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darum bitten, Sanktionen gegen Verantwortliche für das Blutvergießen zu erlassen. Die Arabische Liga kommt wegen der jüngsten Eskalation am Samstag in Kairo zu einem Krisentreffen zusammen. Medienberichten zufolge gibt es aber eine heftige Kontroverse über den Umgang mit Syrien.

Grundlage für den HRW-Bericht mit dem Titel "We Live as in War" (Wir leben wie im Krieg) waren mehr als 110 Interviews mit Menschen aus der Stadt und der Provinz Homs. Die Menschenrechtler dokumentierten dabei Dutzende Übergriffe syrischer Sicherheitskräfte auf friedliche Demonstranten und Attacken auf Trauerfeiern.

Systematische Folter von Inhaftierten

So berichtete etwa eine Frau, die mit ihrem dreijährigen Sohn an einer Protestveranstaltung teilnahm, dass plötzlich zwei Autos mit getönten Fensterscheiben auftauchten und aus denen das Feuer eröffnet wurde. Die Milizen hätten auch auf Menschen geschossen, die sich zum Schutz vor den Kugeln auf den Boden geworfen hätten. Ein Geschoss habe ihren Sohn am Bauch verletzt, sagte die Frau.

Auch von systematischer Folter inhaftierter Oppositioneller ist die Rede. Seit Beginn der Proteste gegen die Regierung von Baschar al-Assad würden zudem mehrere Hundert Menschen vermisst, die nach einer Festnahme nie wieder aufgetaucht seien. Die Aussage der syrischen Führung, zum Opferfest Eid al-Adha, mehr als 500 Häftlinge entlassen zu haben, wird angezweifelt. Nach Angaben von Aktivisten kam keiner aus ihren Reihen frei.

Nach Erkenntnissen der Menschenrechtler waren die Demonstranten bei den meisten Angriffen unbewaffnet. Feuergefechte gibt es aber wohl hin und wieder zwischen Regierungstruppen und Überläufern aus der syrischen Armee. In einigen Stadtteilen von Homs hätten sich zudem Bewohner bewaffnet, meist mit Schusswaffen, in manchen Fällen aber auch mit Panzerfäusten.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana präsentierte derweil ein ganz anderes Bild von Homs. Das Leben sei normal, heißt es hier. Es gebe keine Lebensmittel- oder Wasserknappheit, die Läden hätten geöffnet und auch das Telefonnetz funktioniere großteils. Vereinzelte Störungen gehen diesem Bericht zufolge auf terroristische "Sabotageakte" zurück.

Von unabhängiger Seite lassen sich die Berichte kaum bestätigen, da das syrische Regime praktisch keine ausländischen Beobachter oder Journalisten ins Land lässt.

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