: Hürden für Fernwärme
■ Bonner Pläne zur Liberalisierung des Strommarktes behindern den Ausbau der Fernwärme in Bremen
Die Bremer Innenstadt wird nicht wie geplant flächendeckend mit Fernwärme versorgt werden können. Das sagte der Chef der Stadtwerke Bremen, Gerhard Jochum, am Rande einer Radio Bremen-Diskussion über die Folgen der Liberalisierung des europäischen Energiemarktes. Die Richtungsänderung wäre Folge der Neuordnung des Energierechts, wie sie Bundeswirtschaftsminister Günther Rexrodt (FDP) plant.
In dessen Entwurf sei das auch von ihm begrüßte Wettbewerbsmodell nicht zu Ende gedacht, weil kleine kommunale Energieversorger benachteilgt würden und keine Übergangsregelungen vorgesehen seien, so Jochums Kritik. Sicher ist: „Wir werden die Kraft-Wärmekoppelung und den Ausbau des Fernwärmenetzes nicht so weiterführen können wie bisher.“ Umweltaspekte seien in Rexrodts Vorschlag überhaupt nicht festgelegt.
Im Ziel sind sich die Reformvorlagen der Europäischen Union und der Bundesregierung einig: Mehr Wettbewerb soll die Stromwirtschaft auf Trab bringen, die bisher in ihren regional abgeschotteten Monopolen satte Gewinne einfährt. Damit soll ab 1997 Schluß sein. „Der Wettbewerb wird den Kunden zugute kommen“. verspricht der Chef des Energieversorgers des Bremer Umlandes, der Überlandwerke Nord-Hannover (ÜNH), Josef Vennemann.
Für Großkunden trifft das zu: Sie sollen dann nicht mehr nur vom regionalen Energieversorger ihren Strom beziehen müssen, sondern könnten bei anderen Unternehmen billigere Angebote einholen.
Doch während die EU in ihrer Richtlinie eine Staffelung vorsieht und zunächst nur Großabnehmern von mehr als 40 Gigawattstunden (das entspricht dem jährlichen Energieverbrauch des Bremer Kellog's-Werkes) die freie Lieferantenwahl ermöglichen will, läßt Rexrodt alle Gewerbekunden von der Leine. Jochum: „Bei uns stehen dann auf einen Schlag 50 Prozent des Stromabsatzes im Wettbewerb.“ Da seien umweltschonende Verfahren wie die Kraft-Wärme-Koppelung (gleichzeitige Produktion von Strom und Fernwärme) oder Belastungen durch die Abnahmeverpflichtung von teurem Windstrom „Klötze am Bein“.
Kritiker wie Hartmut Euler aus dem Finanz- und Energieministerium von Schleswig-Holstein halten den ganzen Bonner Entwurf für eine Mogelpackung. Denn im Gegensatz zu den Brüsseler Plänen will Rexrodt Stromproduzenten und Netzbetreiber nicht organisatorisch trennen - und damit den diskriminierungsfreien Zugang für alle Stromanbieter – also beispielsweise auch der kleinen Stadtwerke mit ihren dezentralen Kraft-Wärme-Anlagen – zu den Hochspannungsleitungen sicherstellen. Außerdem soll es keine Aufsicht über die Netze geben.
Unter diesen Umständen profitieren laut Euler von der Neuordnung des Energiemarktes nur Großabnehmer und eine Handvoll großer Energieversorger. Für einen Großkunden wie die Stahlwerke lohnte es sich sogar, eine eigene Leitung parallel zur bestehenden zu bauen, befürchtet Euler.
Jochum hält diese Folge freilich nicht für realistisch. Stattdessen würden Lieferanten von auswärts die Leitungen der Lieferanten nutzen, um gegen ein Entgeld ihren billigeren Sonder-Angebots- Strom zum Großkunden zu schicken, während die Haushalte, die am selben Netz hängen, höhere Strompreise bezahlen müßten. Jochum und seine Kollegen von anderen kommunalen Energieunternehmen fordern daher, weiterhin der einzige Stromkäufer für ihr Gebiet zu bleiben. Laut Jochum ist zwar weiterhin geplant, den Anteil der Kraft-Wärme-Koppelung an der Bremer Energieversorgung von sieben auf zwölf Prozent zu steigern. Wenn aber durch die Konkurrenz der Stromabsatz der Stadtwerke geschmälert und damit weniger von der Kraft-Seite hergestellt würde, müßte in gleichem Maße auch die Lieferung von Wärme begrenzt werden. jof
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen