Hühner in Massentierhaltung: Wer soll das alles essen?

Der Bau von neuen Megaställen in der Geflügelmast boomt. Dabei wird in Deutschland heute schon mehr Hühnerfleisch produziert als verbraucht.

Deutschland. Land der dicken Hähnchen. Bild: imago

BERLIN taz | Kein Sektor der Massentierhaltung wächst so schnell wie die Geflügelmast. Wie schnell genau, das illustriert eine Erhebung, die der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) am Mittwoch veröffentlicht hat. Demnach plant die Agrarindustrie in Deutschland neue Stallplätze für bis zu 38 Millionen Masthühner. Das wäre eine Ausweitung des Bestands um rund 57 Prozent. Nach den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamts wurden an einem Stichtag 2010 etwa 68 Millionen Hühner gemästet.

Umweltschützer kritisieren, dass die Stallanlagen durch Gestank, Hühnertrockenkot und Keime die Umwelt sowie die Nachbarn belasteten. Grundwasser werde unbrauchbar, der flächendeckende Einsatz von Antibiotika in Ställen trage dazu bei, dass einige dieser Medikamente auch beim Menschen langsam wirkungslos würden. Außerdem litten die einseitig auf Wachstum des Brustfleischs gezüchteten Tiere unter permanenten Schmerzen.

Zwischen 2009 und 2012 haben Hähnchenmäster den BUND-Zahlen zufolge die meisten Bauanträge in Niedersachsen gestellt: für 20,7 Millionen neue Stallplätze, das sind 57 Prozent mehr als der Bestand in 2010. Dabei hat das Land bereits die meisten Mastplätze – und fast fünfmal so viele Hühner wie Menschen: 36,5 Millionen Tiere kommen hier auf nur 7,8 Millionen Einwohner. Die Standardgröße pro Stall beträgt 40.000 Hühner.

Nordrhein-Westfalen folgt mit Bauanträgen für 4,7 Millionen Plätze. Brandenburg steht mit 3,5 Millionen auf Rang drei. Der größte prozentuale Zuwachs wird aber in Hessen erwartet: Dort könnte die Zahl der Mastplätze um 239 Prozent auf 1,8 Millionen steigen.

Mäster in Deutschland wollen neue Ställe für 38 Millionen Tiere bauen. Wo sehen Sie in unserer Grafik zum Download (PDF, 2,1 MB).

In der Praxis liegen die Bestandszahlen möglicherweise niedriger, da sich die Angaben des BUND nur auf Bauanträge beziehen. Nicht alle werden genehmigt. Zudem werden wohl auch alte Ställe geschlossen. „Erfahrungsgemäß stimmt aber die Größenordnung“, sagt BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning.

Ruinöser Preiswettbewerb droht

Sie warnt davor, dass der Bauboom zu einer gewaltigen Überproduktion und einem ruinösen Preiswettbewerb unter den Bauern führen könnte. Tatsächlich erzeugte Deutschland laut Branchendienst MEG schon 2012 fast 29 Prozent mehr Hühnerfleisch, als es selbst verbraucht. Experten bezweifeln, dass die Deutschen langfristig genug im Ausland absetzen können.

Auch deshalb fordert der BUND, Deutschland müsse nun seinen Spielraum bei der Umsetzung der EU-Agrarreform nutzen und 30 Prozent der wichtigsten Subventionsart, der nach der Hofgröße berechneten Direktzahlungen, für Kleinbetriebe reservieren. Weitere 15 Prozent sollten in die Förderung von Ökolandbau, Tierschutz und Regionalität fließen.

Der BUND ruft gemeinsam mit anderen Organisationen zu einer Demonstration mit dem Motto „Wir haben Agrarindustrie satt!“ am 31. August an Europas größtem Hühnerschlachthof im niedersächsischen Wietze auf.

Der Deutsche Bauernverband lehnt es ab, die Direktzahlungen an bestimmte Produktionsverfahren zu koppeln. „Dieser Weg hat in der Vergangenheit zu den bekannten Butterbergen und anderen Überproduktionen geführt“, sagt Sprecher Johannes Funke. Die bisherige Pauschalzahlung pro Hektar Land honoriere „die gesellschaftliche Leistung der Bauern am besten“.

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