Howard Carpendale über die Sommerzeit: „Es bleibt länger hell. Oder?“
Die Uhr wird mal wieder umgestellt – und Howard Carpendale weiß auch ungefähr, in welche Richtung: 1980 machte er eine Platte zum Thema.
Am Vorabend ist Howard Carpendale mit seinem Privatjet in Hamburg gelandet und hat ein Konzert vor 12.000 Fans gespielt. Jetzt sitzt er im Fünfsternehotel am Jungfernstieg und gibt Interviews im Halbstundentakt. Nächster Termin: Markus Lanz.
taz.am wochenende: Der Titel Ihres neuen Buchs ist „Das ist meine Zeit“, Ihre aktuelle Tour heißt „Das ist unsere Zeit“. Warum?
Howard Carpendale (mit englischem Akzent): Zeit ist eine unsere wichtigste Gut, die wir haben. Wer keine Zeit hat, hat kein Leben.
Haben Sie heute mehr oder weniger Zeit als früher?
Ich habe mehr Zeit, weil ich viel bewusster lebe. Was die Arbeit angeht, habe ich viel weniger Zeit für Privatleben.
Sie schreiben in ihrem Buch: „Ich bin jetzt 70 Jahre. Ich kann es kaum glauben, ich ignoriere diese Zahl, ich lehne sie einfach ab.“
Ein leeres Grab, ein verschwundener Leichnam – die Ostergeschichte ist auch ein Krimi. In der taz.am wochenende vom 26./27 März 2016 gibt es daher einen Tatort-Schwerpunkt: Wir zeigen Tatortbilder aus dem New York der zwanziger Jahre, sprechen mit einem Tatort-Forscher und gehen der Frage nach, ob man Verbrechen wirklich mit Hilfe des Gedächtnisses rekonstruieren kann. Außerdem: Eine Reportage aus dem Amtsgericht Neumünster. Und: Eine Sachkunde zum Thema Zeitumstellung. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Ich habe neulich neben einem Moderator gesessen bei der Frankfurter Buchmesse, er stellte mich vor, Howard Carpendale, 70 Jahre alt, und ich habe gedacht, der redet ja von mir! Ich fühle mich nicht so.
Sie haben 25 Millionen Platten verkauft. Wann ist es Zeit aufzuhören?
Ohne einen Namen zu nennen: Ich habe vor zwei Tagen bei einer Fernsehsendung Kollegen getroffen, mit denen bin ich schon bei der „ZDF-Hitparade“ aufgetreten. Ich habe meinem Manager gesagt: Bitte, wenn ich so bin, sag es mir. Dann will ich nicht mehr auf der Bühne stehen. Ich will keine Parodie von mir selbst sein.
Wen meint er? taz-Recherchen ergaben: Carpendale war zu Gast bei Carmen Nebel. Mit ihm dabei: Vicky Leandros. In einem Interview mit der MOPO sagt er zudem: „Marius Müller-Westernhagen ist ein Arschloch.“
kam 1946 in Durban, Südafrika, zur Welt. Der Schlagersänger und Komponist hatte seine größten deutschsprachigen Hits in den 1970er und 1980er Jahren. Mit seinen Alben ist er weiterhin gut im Geschäft. Einem Rückzug aus dem Showbusiness 2003 folgte ein Comeback im Jahr 2007. Mittlerweile hat Carpendale über 25 Millionen Tonträger verkauft.
Wie verhindert man, seine eigene Parodie zu werden?
Man muss sich verändern. Ich singe heute noch „Ti amo“. Aber es geht um die Art, wie man es präsentiert. Man kann es mit einem Lächeln singen, man kann es dramatisch singen. Es ist ja eine Nummer, die hat ein gewisses BAM BAM BAM (stimmt „Ti amo“ an).
Wir haben dieses Foto gefunden im deutschen Uhrenmuseum. Erinnern Sie sich?
Worum ging es da noch mal? Und dieser Mann ...?
Können Sie sich noch erinnern, wie er heißt?
Baum?
Genau! 1980 wurde in Deutschland die Zeitumstellung eingeführt, Gerhart Baum war Innenminister. Sie haben ein Album dazu gemacht.
Stimmt! „Eine Stunde für dich“.
Warum hieß die Platte so?
Schmalzige Titel waren damals in! Die Plattenfirma hatte die Idee: Das wäre doch ein Promo-Gag, die Platte mit der Zeitumstellung zu bewerben und sie dem Minister zu schenken!
Eigentlich müsste es „Eine Stunde weniger für dich“ heißen, weil die Uhr vorgestellt wird.
Ja, aber es bleibt eine Stunde länger hell. Oder? Jetzt bring mich doch nicht durcheinander.
Manager: Länger hell, ja.
Sonntag wird wieder auf Sommerzeit umgestellt. Wie merken Sie sich, ob die Uhr vor- oder zurückgestellt wird?
Ich kann eine Stunde länger Golf spielen.
Wenn ich nur eine Stunde Zeit habe: Welche Ihrer Lieder soll ich hören?
Nicht nur die Hits! Ich finde die Alben wichtiger, man erfährt mehr über den Künstler. Es gibt Lieder, die viele Leute noch nie gehört haben: „Willkommen auf der Titanic“, „Astronaut“ oder „Johannesburg“, aus der Apartheidzeit. Das wird nicht die unterhaltsamste Stunde. Aber sie werden einen anderen Howard Carpendale kennenlernen als den, der „Spuren im Sand“ singt.
Kennen Sie noch alle Lieder von den alten Platten?
Nein! Wir haben 750 Lieder aufgenommen. Letztens habe ich eine Werbung gehört, das war eine B-Seite von „Schönes Mädchen von Seite 1“. Da habe ich gedacht: Das klingt doch wie du! Und es war von mir.
Fällt es Ihnen heute schwerer, die Texte zu lernen?
Ja. Früher konnte ich mir die Texte besser merken, weil es mehr um Bilder ging. Die neuen Lieder sind anders.
Über Ihre Kollegin Helene Fischer haben Sie geschrieben: Die Zeit war reif für einen Hit von ihr. Warum?
Sie war schon viel größer als ihre Lieder. Deswegen war die Zeit reif.
Haben Sie Kontakt zu ihr?
Ja, wir haben zusammen ein Duett gesungen.
Sie schreiben in Ihrem Buch, die „Howie-Zeit“ sei vorbei. Seit wann?
Die hätte es nie geben sollen! Das ist eine deutsche Eigenart, immer Spitznamen zu geben: Schumi, Schweini, Bobbele. Ich finde das unmännlich. Bei manchen finde ich es in Ordnung, wenn sie mich Howie nennen. Wenn ein Bauer mir auf die Schulter kloppt und auf Bayerisch sagt: „Der Howie!“ Aber wenn ein Mädchen mich so anspricht, denke ich, das ist nicht mein Typ.
Vielen Dank, jetzt ist die halbe Stunde um.
Jetzt habe ich Zeit!
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