Hongkong beim Asien-Cup der Fußballer: Momente des Stolzes
Das Nationalteam aus Hongkong nimmt nach über 50 Jahren wieder an der Endrunde des Asien-Cups teil. Das allein ist schon ein Politikum.
Einen Fußballfan wie Jason würde man in anderen Ländern kaum finden. „Es geht mehr um den Spirit“, sagt der 39-jährige Wissenschaftler. „Das Ergebnis ist gar nicht so wichtig.“ Zwar gibt er zu, dass er die Fußballer von Hongkong am liebsten gewinnen sähe. „Aber so gut sind wir eh nicht!“ Vor einer guten Woche verlor Hongkong mit 1:3 gegen die Vereinigten Arabischen Emirate, es folgte eine 0:1-Niederlage gegen Iran am Freitag. Bei einem Sieg am Dienstag gegen Palästina wäre ein Weiterkommen noch möglich.
Am Tag nach der deutlichen Auftaktniederlage beim seit dem 12. Januar in Katar laufenden Asien-Cup schrieb die South China Morning Post: „Es war ein Moment, auf den man 56 Jahre warten musste, es war ein Moment des Stolzes.“ Immerhin war es Hongkong mehr als ein halbes Jahrhundert nicht gelungen, sich für eine Endrunde des Asien-Cups zu qualifizieren. Nun sind sie als krasser Außenseiter dabei: In der Fifa-Weltrangliste steht Hongkong auf Platz 150.
Nach der überraschenden Qualifikation gewann die Truppe aus der einst politisch autonomen 7,5-Millionen-Einwohner-Metropole noch gegen ihren eher ungeliebten sehr großen Bruder: China. Ein 2:1-Sieg am Neujahrstag markierte den ersten Triumph seit drei Jahrzehnten. „Gegen China muss ich die Mannschaft nicht motivieren“, spottete nach dem Testspiel Jörn Andersen, der in den 1990er Jahren als Bundesligaprofi unter anderem in Nürnberg und Hamburg spielte und seit 2021 Hongkongs Nationalmannschaft trainiert.
Der Hintergrund ist hochpolitisch: Inwieweit Hongkongs Auswahl heute überhaupt noch eine Legitimation hat, ist umstritten. Schließlich ist es mittlerweile schon verboten, nur zu behaupten, Hongkong sei eine Nation. Wozu dann eine Nationalmannschaft?
Einen nationalen Fußballverband gibt es seit 1914, als Hongkong noch britische Kolonie war. Im Jahr 1997 aber ging das Gebiet wieder in chinesischen Besitz. Der chinesisch-britische Vertrag, der die Rückgabe regelte, versprach Hongkong damals für 50 Jahre weitgehende Autonomie. Doch schon bald begann Chinas Regierung in Peking, das mit der Übergabe festgelegte Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ auf eigenwillige Weise zu interpretieren.
Drakonische Strafen
Wiederholt versuchte die auf dem Festland regierende Kommunistische Partei, Hongkong unter ihre Kontrolle zu bringen. Ab Mitte des vergangenen Jahrzehnts protestierten Hunderttausende, teils Millionen Menschen auf den Straßen. Und als China schließlich 2020 das Nationale Sicherheitsgesetz erließ, womit auch in Hongkong Kritik am Pekinger Einparteiensystem verboten und mit langen Haftstrafen belegt ist, kam es wochenlang zu Ausschreitungen. Peking ließ sie niederschlagen, die Anführer wurden verhaftet.
Was das mit Sport zu tun hat? Viel, sagt Jason, der einst selbst demonstrierte: „Viele sehen die Unterstützung für Hongkonger Sportler als Zeichen von Nationalität und Widerstand gegen Unterdrückung.“ Seinen Nachnamen will er lieber nicht in den Medien lesen. „Früher haben Sportfans die chinesische Hymne ausgebuht“, sagt ein Journalist aus Hongkong, der seinen Namen ebenfalls anonym hält. „Heute kommt man dafür hinter Gitter.“
Seit Verabschiedung des Sicherheitsgesetzes schwebt der Hongkonger Sport in einem sonderbaren Zustand der Unklarheit. Hongkongs Fußballverband, ebenso wie das Nationale Olympische Komitee, tragen nun den Namenszusatz China. Weiterhin treten sie aber formal unabhängig bei Turnieren an.
Einerseits erhöht die Fortexistenz von Nationalverbänden wie Hongkongs und auch der portugiesischen Ex-Kolonie Macau, die jetzt unter chinesischer Kontrolle sind, den Einfluss Chinas in internationalen Verbänden. Andererseits ruft sie Menschen aus diesen Orten förmlich dazu auf, eben nicht China zu unterstützen, sondern ihre Heimat.
Als der Hongkonger Fechter Edgar Cheung bei den Olympischen Spielen von Tokio 2021 Gold holte, danach die chinesische Hymne spielte, hallte bei einem Public-Viewing-Event in einer Hongkonger Mall der populäre Schlachtruf: „We are Hong Kong!“ Kurz darauf wurde ein Mann, der offenbar beim Buhen erwischt worden war, verhaftet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!