Liedverbot in Hongkong: Hymne des demokratischen Protests

Ein Gericht verbietet das Protestlied „Glory to Hong Kong“, da es die prodemokratischen Proteste romantisiere. Es ist das erste Liedverbot seit 1997.

Hongkonger singen am 11. September 2019 in einem Einkaufszentrum das von Demonstranten geschriebene Lied «Glory to Hong Kong».

Hongkonger singen am 11. September 2019 in einem Einkaufszentrum das von Demonstranten geschriebene Lied „Glory to Hong Kong“ Foto: Vincent Yu/AP/dpa

BERLIN/HONGKONG taz/afp | In der südchinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong hat ein Berufungsgericht die Hymne der prodemokratischen Proteste, „Glory to Hong Kong“ (Ruhm für Hongkong), verboten. „Das Lied wurde als Anstoß für die gewalttätigen Proteste genutzt, die Hongkong seit 2019 plagen“, schrieb Richter Jeremy Poon in seiner Urteilsbegründung am Mittwoch. Es „rechtfertigt und romantisiert“ die Proteste, hieß es weiter. Poon widersprach damit dem erstinstanzlichen Gerichtsurteil vom vergangenen Juli, das stärker die Meinungsfreiheit betont hatte.

Die einstweilige Verfügung werde die Verbreitung des Songs verhindern, schrieb der Richter. „Glory to Hong Kong“ ist damit der erste Song überhaupt, der in der ehemaligen britischen Kronkolonie seit der Rückgabe an China 1997 verboten wird.

Geklagt hatte die Regierung der Sonderverwaltungszone, die argumentierte, das Lied verbreite Fehlinformationen, sei „Propaganda“ und „sehr effektiv“ darin, „öffentliche Emotionen zu wecken“.

Das zunächst von einem Unbekannten unter dem Pseudonym Thomas dgx yhl komponierte und dann in einem Internetforum weiterentwickelte, vierstrophige Lied war in Hongkong während der prodemokratischen Massenproteste der Jahre 2019 und 2020 viel gesungen worden.

Eingearbeitet in den kantonesischen Liedtext, von dem es dann bald auch eine englische Version gab, ist der Protest-Slogan „Brecht die Morgendämmerung, befreit unser Hongkong, gemeinsam rufen wir: Revolution unserer Zeit“.

Richter: Die Hymne ist eine „Waffe“

Der Song hatte auch deshalb den Zorn der Hongkonger Regierung ausgelöst, weil er im Ausland manchmal als offizielle Hymne Hongkongs missverstanden und etwa bei Sportveranstaltungen gespielt worden war. Laut Polizei sei dies 800 Mal der Fall gewesen. Hongkong hat aber gar keine eigene Hymne, sondern nur den „Marsch der Freiwilligen“, die offizielle Hymne der Volksrepublik Chinas.

„Glory to Hong Kong“ ist in der Stadt identitätsstiftend und ein Bekenntnis zu einem eigenen, demokratischen Weg zur Freiheit. Pekingnahe Kräfte haben sich der Hymne mit eigenen chinafreundlichen Liedern entgegengestellt, sodass es gelegentlich zu regelrechten informellen politischen Gesangswettkämpfen etwa in Kaufhäusern gekommen ist. Beide Seiten haben dann versucht, die jeweils andere mit ihrem Lied zu übertönen.

China bezeichnete jetzt das Verbot als „legitime und nötige Maßnahme“ Hongkongs bei der „Erfüllung der Verantwortung zur Sicherung der nationalen Sicherheit“.

„Der Komponist des Liedes wollte, dass es eine Waffe ist, und so ist es gekommen“, schrieb Richter Poon. „Glory to Hong Kong“ darf mit dem Urteil nicht mehr gesungen und verbreitet werden. Ausgenommen sind „Nachrichten und akademische Aktivitäten“.

Urteil soll Google unter Druck setzen

Im vorherigen Urteil von 2023 hatte der Richter noch ein Verbot aufgrund von Risiken für die Meinungsfreiheit abgelehnt. Die Hongkonger Regierung hatte ihrerseits Internetkonzerne wie Google aufgefordert, das Protestlied aus deren Ergebnissen bei der Suche nach Hongkongs Hymne zu löschen. Der US-Konzern, dessen Suchmaschine in China nicht frei zugänglich ist, hatte dies abgelehnt.

Die drei Richter Gericht begründeten ihr jetziges Verbot auch damit, dass es nötig sei, um eine rechtliche Handhabe gegen Suchmaschinenbetreiber wie Google zu haben, berichtete das Nachrichtenportal Hong Kong Free Press (HKFP). Google lehnte jetzt zunächst eine Stellungnahme ab.

China geht seit dem Erlass des sogenannten Sicherheitsgesetzes von 2020 noch drakonischer gegen die Demokratiebewegung in Hongkong vor. Zahlreiche prodemokratische Aktivisten wurden festgenommen oder flüchteten ins Exil. Auch verhängten Gerichte seither bereits wiederholt Strafen gegen Menschen, die „Glory to Hong Kong“ in der Öffentlichkeit sangen oder online verbreiteten.

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