piwik no script img

Homosexuelle in IndonesienMoralapostel auf dem Vormarsch

Die Homosexuellen-Konferenz in Surabaya ist auf Druck konservativer Muslime abgesagt worden. Und das Verfassungsgericht bestätigt das umstrittene Anti-Pornographie-Gesetz.

Indonesiens Polizei befürchtet Proteste religiöser Gruppen. Bild: ap

JAKARTA taz | Die Hotels waren gebucht, Einladungen in ein Dutzend Länder verschickt. Vom 26. bis 28. März sollte in Indonesiens zweitgrößter Stadt Surabaya eine Regionalkonferenz für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle stattfinden. Doch einen Tag zuvor sagten die Organisatoren die Konferenz plötzlich ab, "um ungewollte Umstände zu vermeiden", wie Poedjiati Tan vom Organisationskomitees erklärte.

Am Vortag hatte die Polizei der Konferenz die Genehmigung verweigert, da sie Proteste religiöser Gruppen befürchte. "Wir mussten anerkennen, dass es heftigen Protest dutzender Massenorganisationen gab", erklärte Polizeisprecher Ketut Untung Yoga Ana.

Vertreter des Rats der Muslimgelehrten sowie von Muhammadiyah und Nahdlatul Ulama, den beiden größten Muslimorganisationen des Landes, hatten gegen die Konferenz mobil gemacht. Sie verstoße gegen religiöse Normen und Gebote, so die Auslegung der Religionshüter. Menschenrechtler hingegen schlagen Alarm: Das Verbot der Konferenz verletze fundamentale Verfassungsrechte, erklärte Ifdhal Kasim von der Nationalen Menschenrechtskommission. Die Regierung sei verpflichtet, auch Minderheiten diese Rechte zu garantieren.

Indonesiens Bevölkerung besteht zu 85 Prozent aus Muslimen, die sich meist zu einem toleranten Islam bekennen. In den letzten Jahren gewannen jedoch konservative Strömungen an Einfluss. So wurden in der Provinz Aceh und in mehreren Distrikten Teile des Scharia-Rechts eingeführt. 2008 setzten konservativ-religiöse Parteien im Parlament zudem ein umstrittenes Anti-Pornografie-Gesetz durch. Es definiert Pornografie als "Bilder, Skizzen, Illustrationen, Fotos, Artikel, Ton- und Filmaufnahmen, Geräusche, Animationen, Körperbewegungen und andere Mitteilungen über verschiedene Kommunikationswege, die obszön und/oder sexuell ausbeutend sind und/oder Normen der Gemeinschaft verletzen".

Nicht nur Menschenrechtler sehen in diesem "Gummiparagrafen" das Potenzial zur Unterdrückung individueller Freiheitsrechte. Frauen fürchten wegen "freizügiger" Kleidung kriminalisiert zu werden. Künstler fragen sich, was sie noch darstellen dürfen. Regierungen touristisch beliebter Regionen wie der Insel Bali sind auch gegen das Gesetz.

Ein Bündnis von Nichtregierungsorganisationen klagte vor dem Verfassungsgericht gegen das Gesetz. Doch die (männlichen) Richter wiesen am Donnerstag die Klage mit der Begründung ab, es verstoße nicht gegen die Verfassung.

Die Menschenrechtler im Gerichtssaal waren fassungslos. "Wenn es um Moral geht, scheinen hierzulande vernünftige Debatten kaum noch möglich", sagte Agung Putri Astrid Kartika von der Menschenrechtsorganisation Elsam zur taz. Sie erwartet, dass das Gesetz Indonesien spalten werde. Konservative Lokalregierungen könnten es repressiv anwenden. Andere, wie Balis Gouverneur, wollen es nicht umsetzen. Darin liegt die Hoffnung der Menschenrechtler. Denn ein Gesetz, dass nicht landesweit implementierbar sei, so Agung Putri, müsse schließlich revidiert werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

11 Kommentare

 / 
  • A
    aso

    @ Tom:

     

    Während Sie bei anderen Themen (Nah-Ost) Ländervergleiche als „störend“ empfinden...haben Sie hier kein Problem

    die USA als Beispiel Ihrer Verharmlosungsstrategie als Vergleich hinzustellen.

     

    Ihre Relativierungen sind jedoch irrelevant, denn grundsätzlich geht es hier um das Problem, daß die UN-Menschenrechte von 48 in OIC-Ländern die

     

    die 90er Kairoer Erklärung unterschrieben haben nur eingeschränkt oder überhaupt nicht gelten.

     

    Und zwar weil die allgemeinen universellen Menschenrechte dort nur unter dem Vorbehalt der Scharia gelten (also gar nicht) und damit ausgehebelt werden.

     

    Soviel Freiheiten bezüglich der Religionswahl und -ausübung, der Emanzipation und sexuellen Selbstbestimmung will man in islamischen Ländern den Muslimen nicht zumuten...

  • T
    TOM

    Goldfalter: Bitter erst informieren was die Shariahgerichte bedeuten in England zum Beispiel, bevor man auf einen zug aufspringt von dem man nur den Begriff hört und ekel bekommt: "Sharia". Da musst du schon mehr tun!

     

    Ansonsten schreib doch einen Brief an die Grünen wenn dir nicht passt wozu sie sich nicht äußern. Füge auch eine Lister der anderen 31273272 Punkte dazu, denn die Welt ist groß.

     

    An die anderen: Radikale gibt es ebenso überall. Nicht selten werden in der USA z.B Ärzte umgebracht die Abtreibungen vorgenommen haben von radikalen christen und so lange ist es mit den Rechten für Homosexuelle oder gar der Schwarzen wirklich nicht her im größten christlichen Land der Welt. Alles schon vergessen? Ganz zu schweigen von den Kriegen weltweit wo man kurz vorm Bombenabwurf noch in die Messe rennt. Alles nur ne betrachtungsweise. Nur das vielen hier einfach nicht mehr klar ist wie die "eigene" Seite Radikal ist, weil es inzwischen für Sie normal ist und Sie keine Gedanken mehr darauf verschwenden. Das verzerrt natürlich das Empfinden, aber ich kann euch garantieren das völlig normale Menschen (Moslems) in Islamischen Ländern ähnlich über das Christentum denken wie Ihr über den Islam. Selbstrefklektion ist keine Stärke des Menschen und nur weil wir jetzt 10 Jahre vorsprung in einem der Punkte (homosexuelle) haben, muss man nicht schon gleich glorreich das Christentum vs. Barbarei-Gefühl bekommen

  • DP
    Daniel Preissler

    Der moderate Islam ein westlich moderierter Islam... ja, das kann man so sehen, Islam und Aufklärung (oder Napoleon ;-) ) eben. So wie in Westeuropa Christentum und Aufklärung. Die Freiheiten entstammen tatsächlich nicht dem Islam, keine Einzige (außer dem Prinzip des Verzeihens nach Straftaten, dass der Islam dem Judentum voraushat), so wie auch keine einzige Freiheit dem Christentum entstammt.

    Wegen dieser Diskussionen habe ich mich so über folgenden Artikel über Uganda gefreut (ihr wisst schon, das Land im Herzen Afrikas mit der in Gesetzesform gegossenen Homophobie):

    http://taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/irgendwo-zwischen-mensch-und-kuh/

     

    Auch, was du über Liberalität und islamische Hardliner schreibst, ist richtig. Passt auf die USA und Polen allerdings ebenso. Ein zum 3. Mal verheirateter Präsident ind den USA? Eine polnische Ministerpräsidentin mit Kindern von 2 Männern? Undenkbar!

    Ein Unterschied ist allerdings, dass Homosexuelle in Polen nur aufs Maul kriegen und in einigen muslimisch (oder christlich) geprägten Ländern Afrikas und Asiens eingesperrt werden.

  • MM
    Mister Maso

    Glückwunsch an die TAZ für die Untertreibung des Tages: "Moralapostel auf dem Vormarsch"!!!

    falls Ihr es noch nicht mitbekommen habt: DAS IST DER ISLAM!

  • O
    otto

    Na Hauptsache, es hat nüscht mit dem Islam zu tun!

  • LA
    Linksliberaler Atheist

    Quo vadis, Menschheit?

    Zurück ins Mittelalter?

     

    Wir haben das Internet,wir hatten die Auklärung, der technische Fortschritt geht fast unaufhaltsam voran. Wir fliegen zum Mond, zum Mars, erkunden das Universum und die Monotheisten jeglicher Couleur feiern fast überall auf der Welt neuerdings fröhliche Urständ.

     

    MONOTHEISTEN schreiben anderen Menschen vor, wie sie zu leben haben, und das genau kotzt mich an! Religion ist Privatsache! Jeder soll an das glauben was er möchte, aber andere Menschen bitte in Ruhe lassen.

     

    Mir graust es vor diesen selbsternannten moralinsauren Moralisten und Feinden des natürlichen menschlichen Körpers!

     

    Sie wollen ständig anderen Menschen vorschreiben, wie sie sich zu verhalten, sich zu kleiden haben, wie sie ihre Sexualität zu leben haben, um einfach nur IHRE MACHT auf andere Menschen aus zu üben. Darum geht es doch in erster Linie!

     

    Und kommt mir bloß nicht mit kultureller Tradition!

     

    siehe z.B. hier:

     

    http://www.spiegel.de/reise/aktuell/0,1518,599422,00.html

  • G
    Goldfalter

    Jetzt wäre doch einmal ein Kommentar der Parteien, die sich traditionell für Schwule einsetzen, wie die GRÜNEN fällig.Warum hört man nie etwas bei solchen Entscheidungen? Das Gleiche gilt bei der Beschneidung der Frauenrechte, wie die Einführung der Familienscharia in 85 Gerichten in Großbritannien. Oder waren Frauenrechte und Gleichberechtigung für Schwule nur ein westlicher Irrtum, der für andere Kulturen nicht gilt?

  • B
    Britt

    Solche Meldungen können einem nur angst machen. Man kann nur froh sein, dass man selbst kein Homosexueller in Indonesien ist.

  • T
    TOM

    An nicolaus: Zipfelmütze auf? Die Wahrheit ist leicht zu verkünden, aber ob Sie auch tatsächlich den Begriff wert ist? In dieser Gegend gab es kaum Problem, aber als man zu Zeiten des kalten Krieges begann Extremisten zu unterstützten fing der ganze Mist an. Wer es unterstützt hat? Da wäre unsere tolle USA zu nennen, denn Moslemische Extremisten haben nicht viel übriggehabt für ein Kommunistissches Land ohne Religion. Schon begann man das berühmte Al Qaida Aufbausyndrom zu sehen, aber man hat es geschafft dennoch alles schön einzudämmen.Jetzt seit paar Jahren geht es wieder los und das in etwa zu der Zeit wo Moslems weltweit als "Jagdvieh" in den Gesellschaften vieler Spießer gesehen werden. Seit dem 11 September um genau zu sein. Auch hier ein tolles Mittel für die Extremisten auf der Welle Vorteile für sich zu ziehen.

     

    Ganz so einfach ist es halt nicht mit der Wahrheit, auch wenn du es noch so einfach sehen möchtest. Ein Beweis das es dort immer noch relativ offen zugeht, ist doch das überhaupt so eine große Konferenz dort ausgetragen werden sollte. Schonmal von so einem treffen im Hilton Hotel gehört?

  • N
    nicolaus

    Dort, wo der Islam die dominante Religion ist, sind Nicht-Muslime und Atheisten, Frauen, Homosexuelle, Bisexuelle, Künstler (TänzerInnen, SängerInnen usf.)meist in einer schwierigen, oft gefährlichen Situation. Alle Freiheiten, die sie (noch) haben, verdanken sie nicht dem demokratischen und liberalen Potential des Islam, sondern westlichen (Verfassungs-)Traditionen - das ist die Wahrheit, auch wenn sie notorischen Islamverstehern nicht gefällt.Der "moderate" Islam ist also ein "westlich" moderierter Islam. Wer jetzt "Lüge !" schreit,sollte zur Kenntis nehmen, dass dies die Hardliner in den betreffenden Ländern genau so sehen und beklagen: Liberalität ist westliche "Entartung".- Also muss sich der Islam radikal ändern, seine "heiliges Buch" historisch-kritisch prüfen usf., um in der Moderne anzukommen. Zur Zeit wird aber eher der Rückwärtsgang eingelegt.

  • U
    Unbequemer

    Ist das ein Blick in unsere Zukunft?