Homophobie in Sachsens CDU: Hass aus der Mitte der Partei
Ein Parteifunktionär will von der "abnormen" Lebensweise in der Öffentlichkeit nichts sehen. Der Landesverband distanziert sich, die Opposition ist gleichwohl empört.
DRESDEN taz | Der sächsische CDU-Landesverband ist wegen homophober Äußerungen eines Parteifunktionärs in Erklärungsnot geraten. Anlass ist eine E-Mail, die der Vorsitzende des Ortsverbands Chemnitz-Mitte/West, Kai Hähner, in der Vorwoche den Organisatoren des Christopher Street Day in Leipzig geschrieben hatte. Hähner beklagt sich darüber, dass Schwule und Lesben "ihre Lebensweise in die Öffentlichkeit tragen".
Am vorvergangenen Samstag waren rund 2.500 Menschen durch die Leipziger Innenstadt gezogen, um für die Rechte von Homosexuellen zu demonstrieren. In Chemnitz, einer Großstadt mit mehr als 240.000 Einwohnern, gibt es eine solche Veranstaltung bislang nicht.
In dem Schreiben des CDU-Funktionärs heißt es weiter: "Leben Sie, wie Sie wollen, im Privaten, und lassen Sie andere mit Ihrer Abnormalität in Ruhe." Jugendliche würden in ihrer sexuellen Findungsphase damit verleitet. Wenn schon Kindergartenkinder mit Homosexualität konfrontiert würden, wolle er die Verantwortlichen dafür vor Gericht bringen.
Anlass des Schreibens war offenbar ein Interview, das der Sender MDR Info mit einem der Organisatoren führte. Beim CSD in Leipzig wurde die Mail zunächst als privates Gesprächsangebot betrachtet, sie sollte vertraulich behandelt werden. Nachdem sie dennoch an die Öffentlichkeit gelangte, rissen die Proteste nicht mehr ab.
Mittlerweile ist Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer auf Abstand zu seinem Parteifreund gegangen. Hähners Aussagen seien so indiskutabel, dass sie allein auf ihn zurückfielen. Es handele sich um eine Privatmeinung und nicht um die der Landespartei.
Auch der Jugendverband der in Sachsen mitregierenden FDP distanzierte sich. Es sei "unerträglich, dass Herr Hähner ohne Rechtsgrundlage gegen Mitbürger nur auf Grund ihrer sexuellen Orientierung vorgehen will", sagte der Landesvorsitzende der Jungliberalen, Marcus Viefeld.
Heftige Kritik übten die Oppositionsparteien. Der Hass auf Nichtheterosexuelle sei auch in einer Partei der sogenannten Mitte Realität, sagte Fabian Blunck, Mitglied im Landesvorstand der Linkspartei. Die SPD-Landtagsabgeordnete Sabine Friedel erklärte, Hähner habe eine Grenze überschritten. Er stelle sich demonstrativ gegen die legitimen Rechte von Minderheiten. Die Grünen-Abgeordnete Eva Jähnigen verlangte mehr Aufklärung über homosexuelles Leben in Kitas und Schulen. Auch bei Erwachsenen sei offenbar politische Bildung vonnöten.
Beifall bekam Hähner, der auch der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU angehört, nur von der Chemnitzer NPD-Stadträtin Katrin Köhler. Schwule und Lesben seien "Ausreißer der Natur" und "Pannen der Humanevolution".
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen