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Homophobie in Rumänien„Tod den Schwulen“

Christlich fundamentalistische und rechtsradikale Aktivisten sprengen in Bukarest die Vorführung eines Films über Homosexuelle. Die Polizei sieht tatenlos zu.

Mitglieder der rechtsextremen „Neuen Rechten“ (Noua Dreapta) demonstrieren gegen die Gay Pride in Bukarest im Mai 2010 Bild: dpa

BERLIN taz | „Tod den Schwulen!“ Unter diesem Ausruf stürmten über 50 Aktivisten schwulenfeindlicher, orthodox-christlich fundamentalistischer und rechtsradikaler Organisationen am Mittwochabend in der rumänischen Hauptstadt Bukarest einen Kinosaal und unterbrachen die Vorführung des Films „The kids are all right“.

Der Film lief im Rahmen eines alljährlich organisierten „Monats der LGBT-Geschichter“ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender). Die gesamte Veranstaltungsreihe, die unter anderem von der rumänischen Schwulenorganisation „Accept“ organisiert und von der US-Botschaft in Bukarest unterstützt wurde, sollte für mehr Toleranz gegenüber Homosexuellen werben und zum Abbau von schwulenfeindlichen Tendenzen innerhalb der rumänischen Gesellschaft beitragen.

Bereits seit Wochen zirkulierten im Internet Boykottaufrufe schwulenfeindlicher Organisationen. Der Direktor des rumänischen Bauernmuseums, der den Kinosaal seiner Institution den LGBT-Organisatoren zur Verfügung gestellt hatte, wurde beschimpft und bedroht. Dennoch hüllten sich die zuständigen Behörden in Schweigen. Auch am Mittwoch sah die Polizei den Krawallmachern tatenlos zu.

In einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung der staatlichen rumänischen Antidiskriminierungsbehörde CNCD wird der homophobe Zwischenfall scharf verurteilt und als Angriff auf die Menschenrechte gewertet. Die zuständigen Behörden werden nachdrücklich aufgefordert, die Verantwortlichen für den Vorfall zur Rechenschaft zu ziehen.

In Hetzschriften werden Schwule mit Juden und Freimaurern gleichgesetzt

Seit Jahren wird Homosexuellen unterstellt, die nationalen und fundamentalen christlichen Werte des rumänischen Volkes zu unterwandern und die traditionelle Familie zu zerstören. In Hetzschriften, die in den letzten Jahren vor allem im Internet verbreitet wurden, werden Schwule mit Juden und Freimaurern verglichen.

So auch in mehreren von dem rechtsextremen Portal AlterMedia veröffentlichten Beiträgen. In einem am Mittwoch publizierten Bericht des nationalistischen und fundamentalistischen Hetzbloggers Victor Roncea wird die Unterbrechung der Filmvorführung als „ein erfolgreicher Protest gegen die Schwulenmafia und -propaganda“ dargestellt.

Der Direktor des Museums, der dem Druck der homophoben Organisationen standgehalten hatte, wird in dem Bericht als Freimaurer beschrieben. Dieser und der „katholische Kulturminister“ hätten nichts unternommen, um die Zusammenkunft der Schwulen zu unterbinden. Zudem hätten sie die Proteste von über 30 Organisationen gegen die „Schändung des christlichen Glaubens“ und der christlichen Traditionen der Rumänen ignoriert.

Bezeichnenderweise hatte sich die Neue Rechte diesmal nicht an den Protesten beteiligt. Sie hatte in den letzten Jahren an vorderster Front in der Bekämpfung der Schwulenemanzipation gestanden und systematisch für die Wiedereinführung des alten StGB-Paragraphen plädiert. Dieser stellt Homosexualität unter Strafe.

Die derzeitige Zurückhaltung der Neuen Rechten ist auf die Verhaftung eines prominenten Aktivisten der Neuen Rechten zurückzuführen. Dieser war Ende des vergangenen Jahres wegen Pädophilie festgenommen worden. Noch bevor die Festnahme bekannt wurde, erfuhr die Öffentlichkeit Einzelheiten über einen gewalttätigen Überfall auf die Teilnehmer einer Veranstaltung der Hochschule für politische Wissenschaften zum Thema Homosexualität. Obwohl die Polizei Ermittlungen eingeleitet haben soll, wurde bislang keiner der homophoben Schläger identifiziert und gefasst.

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11 Kommentare

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  • J
    Jasmin

    "In Hetzschriften werden Schwule mit Juden und Freimaurern gleichgesetz"... wirklich sehr unglücklich formuliert.

  • D
    Daniel

    Üblicherweise wird ja im Pressedeutsch die Formulierung "a wird mit b gleichgesetzt" zur Erleuterung einer Beleidigung/ehrverletztenden Äußerung benutzt, wobei die Gruppe a mit der negativ konnotierten Gruppe b identifiziert wird/werden soll. Wenn ihr jetzt schreibt, dass Schwule mit Freimaurern und Juden gleichgesetzt werden, dann klingt das als ob ihr diese negativen Konnotationen teilen würdet.

  • EV
    Eine_r von Millionen

    @heinzl: Je mehr Krise, je mehr Existenz- und Abstiegsängste, v. a. bei Schichten ohne Anbindung an die organisierte Arbeiterbewegung (geht bei kleinbürgerlichen Schichten auch und gerade bis hin zu Leuten, denen es eigentlich (aktuell? noch?) materiell gut geht), desto mehr "Orientierungslosigkeit" und Bedarf an "Sündenböcken", wie Sie es ja treffend beschreiben.

     

    "Postkommunismus" taugt da nicht als Erklärungansatz, denn in der ehemaligen Sowjetunion und im gesamten Ostblock gab es keinen Kommunismus, sondern die Herrschaft einer privilegierten, bürokratischen Kaste, die die breite Masse der arbeitenden Menschen unterdrückte. Lesen Sie das mal bei Marx und Lenin nach, bevor Sie die Sprache der Herrschenden - die ja nicht ganz ohne Eigeninteresse bei jeder Gelegenheit Stalinismus mit Sozialismus/Kommunismus gleichsetzt - einfach so übernehmen. Sonst wird es auch sachlich und analytisch nicht richtig.

     

    Frankreich, zum Beispiel, ist auch nicht "postkommunistisch". Ihnen dürfte nicht entgangen sein, welche Mobilisierung dort in den letzten Wochen und Monaten "zur Verteidigung" der heiligen christlichen Ehe und Familie, gegen eine angebliche Bedrohung durch gleiche Rechte von Schwulen und Lesben, stattgefunden hat. 47% der Franzosen halten die Front National nicht mehr für eine Gefahr. In den 90er Jahren sahen ihn noch 70% als gefährlich.

  • EV
    Eine_r von Millionen

    @Barbar: (nomen est omen?!)

     

    Nein, weder muss noch darf jede_r alles tolerieren!

     

    Keine Toleranz der Intoleranz!

     

    Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung und deren Beförderung sind keine "tolerable Meinung", sondern ein Verbrechen!

     

    Die Spaltung der breiten Masse der lohnabhängigen Menschen dient - zumal in Krisenzeiten - nur einem einzigen Zweck: Der Aufrechterhaltung der herrschenden (Herrschafts- und Unterdrückungs-) Verhältnisse in dieser Gesellschaft. Europa- und weltweit.

  • BV
    Barbar vom Balkan

    Muss jeder alles tolerieren?

    Ich meine nein.

  • T
    Thomas

    "In Hetzschriften, die in den letzten Jahren vor allem im Internet verbreitet wurden, werden Schwule mit Juden und Freimaurern verglichen."

     

    Hey taz, nix für ungut, aber der Satz nervt. Er macht sich die Ansichten der Nazis zu eigen. Dass ein Vergleich der drei Gruppen schon semantisch schwerwiegender Unsinnn ist, steht hier wohl nicht zur Debatte. Nur hätte die Formulierung vielleicht eher sein sollen: Es wird gegen Schwule, Juden und Freimaurer gehetzt. So wie's da steht klingt es, als wären Juden und Freimaurer schlimme Finger, und Schwule würden beleidigt, indem man sie ihnen gleichsetzt.

  • H
    heinzl

    Viele Menschen in Osteuropa leiden immer noch unter einem postkommunistischen Identitätsverlust. Lückenbüßer wurden hier Nationalismus und übersteigerte Religiösität. Wer sich mit jungen Osteuropäern unterhält erkennt deutlich den Zwiespalt in dem sie leben. Zum einen gehen sie oftmals im Materialimus und Hedonismus der westlichen Welt auf, zum anderen verabscheuen sie deren Liberalität und Aufgeschlossenheit. Der Sohn eines befreundeten Geschäftspartners in St. Petersburg hat sich tatsächlich ein Hakenkreuz auf den Oberarm stechen lassen und schwärmte mir von seiner Bewunderung für Hitler vor (offenbar glaubt er der Deutsche so im Allgemeinen teilt diese). Als ich ihm zu bedenken gab, dass er nach den Rassenkriterien der Nazis wahrscheinlich zu den Opfern gehört hätte, ließ er eine Tirade gegen Schwule, Juden, Asiaten und Amerikaner los.

    Das Grundproblem sehe ich in einer grundsätzlichen Orientierungslosigkeit und den immer noch autoritären Strukturen die in vielen Staaten Osteuropas immer noch vorherrschen. Sündenböcke werden schnell gefunden, seien es rebellische Frauen, Homosexuelle oder "komische Deutsche" wie ich. Diese abstoßende Gesinnungshaltung nicht nur geduldet sondern sogar von Teilen der politischen und religiösen Führung gefördert.

  • B
    Bene

    @ les misérables:

    "Rumänien, wie konnte so ein Land Mitglied der EU werden? Wenn die EU den Verantwortlichen nicht auf die Finger klopft, wozu taugt dann Europa? Was für ein rückständiges Land, was für antiqierte Vorstellungen. Einfach schrecklich."

     

    das ist im übrigen in vielen regionen deutschlands nicht anders...was für ein rückständiges land, was für antiquierte vorstellungen!

  • FV
    Frank von der Kammer

    Rechtsradikale und fundamentalistische Christen! Die gehören doch schon lange zusammen. Werfen wir noch die Islamisten hinterher, dann haben wir die Geissel der Menschheit in einem Topf.

    Und überall sind es durchgeknallte Minderheiten, die dem Rest der Leute den Tag versauen.

     

    Dass die Polizei offen mit diesem Pack sympathisiert, dass ist nicht nur in Rumänien so.

  • B
    Benno

    Wichtiges Thema, guter Artikel, aber wer hat diesen Artikel korrekturgelesen, bzw. es vergessen?

  • LM
    Les misérables

    Was fehlt in Europa? Ein paneuropäisches Gericht für Demokratie und Menschenrechte, das gnadenlos all jene vor Gericht bringt, die gegen Menschenrechte agieren, Gewalt ausüben, politische Demokratie vergewaltigen und die weder exekutiv noch legeslativ gegen Menschenrechtsverletzter vorgehen - wie die Polizei hier. In Rumänien muss eine zentrale Behörde Polizisten aus dem Verkehr ziehen, die Menschn nicht schützen.

    Rumänien, wie konnte so ein Land Mitglied der EU werden? Wenn die EU den Verantwortlichen nicht auf die Finger klopft, wozu taugt dann Europa? Was für ein rückständiges Land, was für antiqierte Vorstellungen. Einfach schrecklich.