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Homophobie im Fußball„Du bist doch der Schwule“

Ex-Profis und Verbandsvertreter fordern mehr Engagment gegen Homophobie im Fußball. Vorbilder und Schulungen sind gefragt.

Schwule Aktivisten bei einem Freundhschaftsspiel zwischen Chile und Argentinien Foto: reuters

BERLIN taz | „Wenn jemand auf der Straße,du olle Lesbe' ruft, kann ich das an einem guten Tag locker wegstecken“, sagt die ehemalige Bundesligaspielerin Tanja Walther-Ahrens in die Runde. „Dann lächle ich freundlich und gehe weiter. Aber an einem schlechten Tag kratzt das an mir.“ Auch deshalb sind sich beim Diskussionsabend „Taten statt Worte“ alle einig: Es muss sich was tun im Kampf gegen Homophobie im Fußball. Neben Akteuren aus dem Amateursport und der UEFA waren dafür auch Ex-Profis wie Walther-Ahrens oder Thomas Hitzelsperger am Freitagabend zur Veranstaltung des Fare Netzwerks, ein internationaler Verband gegen Diskriminierung, in die Berliner Verdi- Zentrale gekommen.

Alle Diskussionsteilnehmer konnten mühelos beschreiben, wo sie in ihrer Arbeit gegen Homophobie auf Probleme stoßen. Ein Aspekt kristallisiert sich in den Erfahrungen der Akteure besonders heraus: „Diskriminierung besteht aus Vorurteilen, die umgesetzt werden. Wir müssen an den Vorurteilen was ändern“, fordert Walther Ahrens. Das ist nicht einfach, wie der ehemalige Nationalspieler Hitzlesperger beschreibt: „Die Fans kommen aus allen Bereichen der Gesellschaft. Da gibt es Leute, die die Diskussion um Homophobie befürworten, andere fragen sich warum wir darüber sprechen müssen.“ Deshalb brauche man Vorbilder.

Ein solches Vorbild ist Hitzlesperger. Nach der Karriere hat sich der 33-Jährige Anfang vergangenen Jahres geoutet. Während seiner Laufbahn habe es keine Schulungen gegen Diskriminierung von Homosexuellen gegeben: „Alles rund um dieses Thema hat keine Rolle gespielt, man war den Vorurteilen der Spieler und Fans ausgesetzt.“ Nach dem öffentlichen Bekenntnis zu seiner Homosexualität habe er aber gute Erfahrungen gemacht. „Ich dachte, dass mich Leute auf der Straße ansprechen und sagen, du bist doch der Schwule.“ Das habe aber nie jemand gesagt.

Um im Fußball beim Thema Toleranz voranzukommen, sieht Walther-Ahrens den DFB in der Pflicht: „Zum Beispiel indem man die Leute nicht darin qualifiziert, die Vierer-Kette vermitteln zu können, sondern darin, dass sie mit Menschen umgehen können“, schlägt die ehemalige Stürmerin von Turbine Potsdam vor. Anne-Kathrin Laufmann, beim SV Werder Bremen für soziale Tätigkeiten zuständig, ergänzt: „Da muss man aber frühestmöglich anfangen. Die Einstellung von alteingesessenen Trainern ändert man nicht mehr.“

„Riesiges Gefälle in Europa“

Da gehören auch Schulungen für die Jugendspieler dazu, bekräftigt Hitzlesperger. „Wir müssen auf allen Ebenen ansetzen. Die Profis sind Vorbilder. Wenn die es falsch machen, warum sollen es dann die Jugendspieler anders machen?“ Broschüren und Petitionen helfen nach Ansicht von Walther-Ahrens auf keinen Fall alleine. „Natürlich kann ich eine Respekt-Kampagne machen, aber wenn ich das nicht umsetze, werde ich es nicht vermitteln können.“

Patrick Gasser ist bei der Uefa für soziale Tätigkeiten zuständig. Es gebe bereits Fortschritte beim Thema Homophobie, sagt er und schränkt zugleich ein: „Es gibt in Europa aber ein riesiges Gefälle. Während der holländische Verband bei der Gay Parade mitmacht, herrscht in anderen Ländern die größte Mühe, das Thema überhaupt anzugehen.“ Die Uefa gebe deshalb die Richtung vor, „in welche Richtung es gehen sollte“ – letztlich liege es aber an den Verbänden, das umzusetzen.

Wie soll ein von Diskriminierung befreiter Umgang aussehen? Walther-Ahrens stellt sich vor: „Ich möchte von meinem Wochenende mit meiner Familie, die eben aus einer Frau und einer Tochter besteht, genauso erzählen, was ich gemacht habe, wie meine heterosexuellen Kollegen und Kolleginnen.“ Gasser deutet an, dass gesellschaftliche Fortschritte erst verspätet im Fußball ankommen könnten: „Die Fußballwelt ist eine konservative Welt.“ Auch Hitzlesperger betont: „Wir brauchen Geduld.“

Das zeige auch die Sprache, die derzeit auf Fußballplätzen herrscht – oft fallen homophobe Begriffe. Das könne anderen Menschen enorm weh tun, warnt Hitzlesberger und fordert: „Wenn du etwas nicht so meinst, dann sag es auch nicht so.“

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1 Kommentar

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  • Der Mann heißt Hitzlsperger.