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Holocaust prêt à porter

■ Modefirma zieht Schlafanzüge im Stil von KZ-Kleidung aus dem Verkehr

Berlin (taz) – Wie bringt man sich ins Gespräch? Durch einen Skandal. Was eignet sich im Jahre 50 nach Ende des Zweiten Weltkrieges am besten für seine Inszenierung? Der Holocaust. So oder ähnlich krude muß die Modemacherin der japanischen Firma „Comme des Garçons“ gedacht haben: Pünktlich zum Jahrestag der Auschwitz-Befreiung schickte sie ihre Models in gestreiften, numerierten Schlafanzügen mit kahlgeschorenen Köpfen über die Rampe, pardon den Laufsteg. Die Kollektion nannte sie „Schlaf“.

Die Proteste blieben nicht aus und waren – behaupten Kritiker – einkalkuliert. Der Jüdische Europakongreß fand die Schlafanzüge „äußerst schockierend“. „Sie banalisieren die Ereignisse, die vor 50 Jahren die Welt erschütterten.“ Auch die Medien schrien: „Skandal!“ Das Boulevardblatt France- soir titelte: „Wenn die Mode die Todeslager kopiert.“

Die Designerin reagierte prompt. „Die Tatsache, daß diese Kollektion so mißverstanden wurde, hat mich völlig überrascht und sehr traurig gestimmt“, sagte Rei Kawakubo. Sie fühle sich dem jüdischen Volk sehr verbunden und sei auch schon einmal in Israel gewesen. Bei „Schlaf“ sei es ihr um Herrenmode von früher gegangen, in der sich junge Leute von heute wohl fühlen sollten.

Rei Kawakubo hat die „Schlaf“- Kollektion aus dem Verkehr gezogen. Ebenso alle anderen Kleidungsstücke aus dem gestreiften Stoff. Die Designerin hat mit ihrer seit den 80er Jahren existierenden Firma schon öfter Ärger gemacht. Sie orientierte sich mit ihren Kollektionen am Erscheinungsbild von Bettlerinnen und Clochards. bam

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