Hohe Metallpreise: Jagd auf Gullideckel und Grabkreuze
Metall wird immer häufiger und dreister geklaut - vor allem im Osten Deutschlands. Hohe Aufkaufpreise und wachsende Armut begünstigen den Trend.
Eine rauschhafte Jagd auf alles Glänzende findet derzeit in Deutschland statt: Mit wachsender Zahl und Dreistigkeit wird Metall geklaut und Schrotthändlern angeboten. Auch wenn die Preise für Altmetall derzeit wieder etwas fallen und die Polizei ihre Ermittlungen verschärft, lässt sich diese Lawine nicht einfach stoppen.
Losgetreten hat sie ein drastischer Preisanstieg - für Kupfer etwa binnen wenigen Jahren auf das Siebenfache. Vor allem durch die asiatische Nachfrage mussten bis zu 8.500 Euro je Tonne bezahlt werden. Die Zahl von Diebstählen hat sich parallel entwickelt: 2005 registrierte das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen noch ganze 50 Fälle. Ein Jahr später stieg ihre Zahl sprunghaft auf 323, und im ersten Halbjahr 2007 waren es bereits 240.
Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden verneint zwar signifikante Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, räumt aber eine unzureichende Datenbasis ein. Indessen registrierte 2006 allein das kleine Sachsen-Anhalt 487 Fälle. Noch deutlicher sind die vom LKA Sachsen übermittelten Zahlen: Nach 500 Delikten im Jahr 2005 waren es 2007 schon 3.500 - vermutlich mit einem Schaden in zweistelliger Millionenhöhe. Auch die Deutsche Bahn, bei der Schienen und Oberleitungen demontiert werden, spricht von einem Schwerpunkt im Südosten.
Die Diebe riskieren dabei ihr Leben, wenn sie versuchen, einen Kurzschluss zwischen Gleis und Oberleitung herbeizuführen und dann Fahrdraht herunterzureißen. In Thüringen starb im August ein Mann, als er in einer Trafostation Installationen abbauen wollte. Ein spektakulärer Fall ereignete sich 2006 im hessischen Lohra: Falsche Bauarbeiter demontierten tagelang vier Kilometer stillgelegte Gleise, bis der Coup aufflog.
Solchen organisierten Großdiebstählen stehen teils minimale Mengen gegenüber. Vor wenigen Tagen fiel der Notruf entlang der Autobahn A 4 im Großraum Leipzig aus, weil 300 Meter Kabel mit einem Querschnitt von weniger als einem Millimeter gestohlen wurden. Laternendrähte, Baustellenkabel, intakte Wasserrohre, Gullydeckel, Pflüge vom Acker, Grabkreuze, Dachrinnen - nichts erscheint mehr sicher.
"Als Täter kommen neben Gelegenheitsdieben auch immer wieder straff organisiert handelnde Banden in Betracht", sagt Sprecher Tom Jährig vom LKA Sachsen. Manche Arbeitslose besserten ihren kargen Unterhalt mit Kleindiebstählen auf, was die hohen Fallzahlen im Osten zumindest teilweise erklären würde. Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes sind die Straftäter ganz überwiegend Deutsche, wobei aber das als Schrott getarnte Diebesgut oft ins Ausland verbracht werde.
Schrotthändler wie Scholz Recycling haben deshalb ein doppeltes Problem. Sie müssen zum einen ihre Lagerplätze sichern, was mit hohen Investitionen immer besser gelingt. Und sie müssen aufpassen, nicht selbst durch den Aufkauf von Diebesgut in den Verdacht der Hehlerei zu geraten. "Wir kombinieren Bauchgefühl und strengstes Annahmeregime", beteuert ein Prokurist der Firma, der lieber ungenannt bleiben möchte. Dabei helfen Rundschreiben der Kripo, wenn wieder einmal ein größerer Metallposten verschwunden ist. Hinweisen aus der Bevölkerung gehen wiederum die zentralen Auswertungsstellen und Sonderkommissionen nach, wie sie in mehreren Bundesländern und bei der Bundespolizei mit der "Soko Kupfer" gebildet wurden. Sachsen und Brandenburg arbeiten mit der Polizei in Tschechien und Polen zusammen. In Sachsen kann so etwa jeder dritte Diebstahl aufgeklärt werden.
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