Hoffenheims strategisches Gehirn: Der Namenlose
Der TSG Hoffenheim ist Spitze. Das hat sich ja mittlerweile überall herumgesprochen. Aber wer managt eigentlich den Aufsteigerklub, der am Freitag Bayern München herausfordern will?
Es klang frech, wenn einer der Herren aus der Führungsetage des FC Bayern versuchte, den Namen auszusprechen. Heraus kam dann meist "Schindelmeise" oder "Schindelmeister". Man darf jetzt davon ausgehen, dass die Bayern den Manager der TSG Hoffenheim genau kennen: Jan Schindelmeiser. Und sie wissen auch, dass der ehemalige Amateurkicker, der 250 Spiele in der Oberliga Nord gemacht hat, so garstig sein kann wie Uli Hoeneß. Vor dem Spitzenspiel der Liga, Bayern gegen Hoffenheim, tritt der sonst so nüchterne Schindelmeiser als Widerpart zu Hoeneß auf. Unterstützung erhält er aus dem gesamten Verein, selbst Mäzen Dietmar Hopp beteiligt sich an der Vorbereitung auf ein besonderes Spiel.
Hopp hat den Namen des 44 Jahre alten ehemaligen sportlichen Leiters des FC Augsburg von Anfang an richtig ausgesprochen. Hopp ist mittlerweile so überzeugt von Schindelmeiser, dass er ihn den Bayern zur Hoeneß-Nachfolge empfiehlt. Der große Blonde lächelt zu solchen Vorschlägen immer still in sich hinein. Jetzt, vor dem "richtig geilen Spiel", wie sich Neunationalspieler Marvin Compper ausdrückte, macht auch Schindelmeiser den Mund auf. "Mit den Gehältern von Ribéry, Toni und Klose könnten wir unseren gesamten Kader finanzieren", sagt er. "Für unsere Spieler gibt es keinen Grund, zu den Bayern zu wechseln, außer Geld. Unsere Spieler sind zu schlau, die wissen, was sie an uns haben."
Während Hoeneß in solchen Momenten die Anspannung deutlich ins Gesicht geschrieben steht, hält Schindelmeiser die Arme verschränkt und spricht, als rede er über die Vorbereitung der Betriebsweihnachtsfeier. Für die einen ist er der heimliche Baumeister des Projekts Hoffenheim, für andere das strategische Gehirn eines Aufsteigers mit einzigartiger Vita, der nebenbei Aufgeregtheiten im eigenen Lager ausgleicht, etwa den hoch kochenden Ärger von Trainer Ralf Rangnick, wenn Hoffenheim mit steinreichen Ölmagnaten in Verbindung gebracht wird, oder den von Sportdirektor Bernhard Peters, wenn der den Deutschen Fußball-Bund und die oberflächliche Trainerausbildung kritisiert. Intern rät der Manager dann zu mehr Gelassenheit.
Vor zwei Jahren holte Rangnick den Unbekannten nach Hoffenheim. Man kannte sich über Rangnicks damaligen Assistenten Mirko Slomka aus Hannover, dort war Rangnick einst Cheftrainer. "Wir haben schnell gemerkt, wir haben ähnliche Ansichten, was Fußball angeht." Rangnick gilt als Konzepttrainer, Schindelmeiser als Konzeptmanager - beide mögen sie schnellen, direkten Fußball und junge, talentierte Spieler. Aus Schindelmeisers Büro sind es nur ein paar Meter zu Rangnick, sie entscheiden allein, ohne einen Aufsichtsrat oder Präsidenten.
2006 war genau das "richtige Jahr" für Schindelmeiser, um "wieder zurück ins Leben zu finden". Im April 2005 war seine Frau Bettina in seinen Armen in einem Berliner Krankenhaus im Alter von knapp 40 Jahren an Krebs gestorben. Die beiden kannten sich seit über 20 Jahren. Einfach weitermachen wollte Schindelmeiser nicht. Er zog sich ein Jahr zurück, um für sich einen Weg in die Zukunft zu finden, ohne seine Frau, dafür mit dem Blick für die wichtigen Dinge im Leben. Dann kam der Anruf von Rangnick.
Schindelmeiser hat auch seine Erfahrungen im Ausland gemacht. "Ich dachte nur, meine Güte, was die alles anders und besser machen als wir, und dabei denken wir in Deutschland, wir hätten die Wahrheit gepachtet", sagt er. Die beiden fanden schnell heraus, sie verfolgen die gleiche Linie. "Die Gefahr ist", sagt Schindelmeiser, "der Status quo lässt sich nicht einfrieren. Das Projekt muss gesund wachsen, Schritt für Schritt - aber es muss auch atmen." Es sei durchaus ein positiver Faktor gewesen, vieles von Grund auf neu aufbauen zu können. "Jetzt genießen wir das Gefühl, dass uns die Leute wegen unserer Art Fußball mögen."
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