Hoffenheim verliert in Mainz: "Unser Leben verkauft"
Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick hat eine taktische Fußball-Lehrstunde erhalten. Und das ausgerechnet vom ehemaligen Schüler Thomas Tuchel, dessen Mainzer bis zum Ende aufopferungsvoll um den Sieg kämpften.
MAINZ dpa | Note 1, setzen! Ausgerechnet von seinem einstigen Musterschüler Thomas Tuchel hat Ralf Rangnick eine taktische Lehrstunde erhalten. So feierte der FSV Mainz 05 nach dem 2:1 (2:0)- Sieg gegen 1899 Hoffenheim ausgelassen den mit 36 Jahre jüngsten Trainer der Fußball-Bundesliga. "Man könnte jetzt die Geschichte vom Zauberlehrling erfinden", meinte FSV-Präsident Harald Strutz hingerissen. "Und was die Jungs heute gespielt haben, war einfach überragend."
Während der bleiche Tuchel, noch gezeichnet von einem schweren Magen-Darm-Infekt, in der Pressekonferenz nichts von der Story vom Lehrling und Lehrmeister wissen wollte, saß Rangnick mit hochrotem Kopf daneben: Der überhebliche Auftritt seiner Mannschaft hatte den Hoffenheimer Coach zur Weißglut getrieben.
Erst vor dieser Saison wollte Rangnick Tuchel als Oberliga-Trainer nach Hoffenheim holen, nachdem dieser mit der A-Jugend der 05er deutscher Meister geworden war. "Die Mainzer wollten ihn nicht gehen lassen. Warum, das hat man heute gesehen", meinte er. Beim SSV Ulm spielte der heutige Mainzer Coach einst unter Rangnick, später holte dieser ihn als Jugendtrainer zum VfB Stuttgart. Und Tuchel, der seinen Schein mit 1,4 machte und laut Rangnick "ein großartiger Trainer ist", verdiente sich am Samstag erneut Bestnoten: Ganz gewieft hatte er seine Profis auf die spielstarken Hoffenheimer eingestellt, die eine Stunde lang kaum Platz zum Kombinieren fanden.
Von einem privaten Duell oder gar Genugtuung wollte der Mainzer Jung-Coach allerdings nichts wissen. "Da muss ich Sie enttäuschen. Von mir persönlich wird es ausgeblendet, wer auf der anderen Bank sitzt. Ich freue mich einfach wahnsinnig über die drei Punkte", sagte Tuchel. Die verteidigte der zu Hause weiter ungeschlagene Aufsteiger mit Mann und Maus. In den letzten Minuten standen die 20.300 Zuschauer im ausverkauften Bruchwegstadion und stimmten bei jedem Befreiungsschlag ein Freudengeheul an. Aufopferungsvoll warf sich der Außenseiter in die Schüsse der Gäste. "Wir haben", erklärte der Ex- Hoffenheimer Zsolt Löw nach dem Coup gegen den letztjährigen Herbstmeister, "für diesen Sieg unser Leben verkauft".
Dem eingewechselten Maicosuel verweigerte Schiedsrichter Guido Winkmann aus Kerken allerdings einen "glasklaren Elfmeter" (Rangnick), Andreas Ibertsberger gelang erst in der 87. Minute und zu spät der Anschlusstreffer für die zuvor in fünf Pflichtspielen siegreichen Badener. "Unser Trainer ist taktisch sehr, sehr clever", frohlockte nach dem Abpfiff FSV-Torwart Heinz Müller. Löw prophezeite seinem Coach gar "Riesenmöglichkeiten" im Fußballgeschäft.
Rangnick schätzte an diesem Tag "gar nichts" an Tuchel, wie er in die Kamera fauchte. Zu groß war sein Ärger darüber, dass seine Mannschaft wieder einmal die erste Halbzeit verschlafen hatte. "An der Einstellung", räumte Schlussmann Timo Hildebrand ein, lag das wohl auch. "Ich glaube nicht, dass das mit Selbstüberschätzung zu tun hat, das ist eher eine Frage der Mentalität", erklärte Rangnick. Dabei habe er "in Worten und bewegten Bildern" die ganz Woche darauf hingewiesen, wie die Mainzer zur Sache gehen werden. Mit Heimstärke und bedingungslosem Engagement ist der Abstiegskandidat schon weit gekommen: Mit 14 Punkten steht der FSV unter Tuchel nach acht Spieltagen genauso gut da wie die hoch gehandelten Hoffenheimer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!