Hoffenheim beendet Negativserie: Hoffen mit Grund
Mit dem 3:1-Sieg über Hertha BSC versucht die TSG Hoffenheim zu beweisen, dass sie mit dem richtigen Trainer auf dem richtigen Weg ist.
Nach dem Schlusspfiff versuchte sich Alexander Rosen in der Rolle als Walter Ulbricht: Nein, niemand habe die Absicht gehabt, den Trainer zu entlassen, falls Pellegrino Matarazzo auch sein sechstes Spiel verloren hätte, sagte der Hoffenheimer Sportdirektor ebenso feinfühlig wie wahrheitswidrig. Wobei ehrlicherweise hinzuzfügen ist, dass er das Wort „niemand“ dann doch nicht verwandt hat. Stattdessen sagte er, es habe „kein Ultimatum gegeben“. Letztlich war das aber auch egal, denn auch in Sinsheim wird kein Trainer entlassen, wenn sein Team 3:1 gewinnt und dazu noch so überzeugend auftritt wie Hoffenheim es gegen die jämmerlichen Berliner am Samstag tat.
Und natürlich hätte eine Entlassung Matarazzos auch Rosen selbst beschädigt. Der Mann, der seit fast zehn Jahren Manager der TSG ist, war es schließlich gewesen, der den ehemaligen Stuttgarter Coach im Februar gegen erhebliche Widerstände als Nachfolger von André Breitenreiter durchgesetzt hatte.
Aus Hoffenheimer Sicht kam zum Glück Hertha, die am Samstag überzeugender denn je nachwies, warum sie das auswärtsschwächste Team der Liga ist. „Ich glaube, niemand im Stadion hatte heute das Gefühl, dass Hertha gewinnt“, sagte dann auch TSG-Mittelfeldspieler Christoph Baumgartner nach dem Spiel völlig zurecht. Und schob ein paar eindeutige Sätze hinterher: „Die Matarazzo-raus-Thematik hat uns noch mal einen Push gegeben. Kein Spieler bei uns hätte es okay gefunden, wenn er hätte gehen müssen. Er macht es sensationell gut.“
Damit stellt sich natürlich die Frage, auf wessen Betreiben eine Matarazzo-Entlassung denn dann erfolgt wäre. Der Kicker hatte bereits am Donnerstag berichtet, dass der Spielerberater Roger Wittmann („Rogon“) im Februar als Nachfolger des freigestellten André Breitenreiter den ehemaligen Sandhäuser Coach Kenan Kocak vorgesehen hatte. Am Samstag entrollten die Fans erneut ein Transparent mit der Forderung: „Wittmann im Verein entmachten“.
Schmeichler und Tröster
Davon, dass das Spieler-Trainer-Verhältnis intakt ist, konnten sich die Zuschauer am Samstag in ein paar weiteren Szenen überzeugen: Als Andrej Kramaric, der mit zwei verwandelten Elfmetern die Basis für den Sieg geschaffen hatte, ausgewechselt wurde, klatschte er von sich aus mit dem Trainer ab – und das, obwohl der unter ihm keinen Stammplatz mehr hat. Allerdings hatte Matarazzo ihm vor der Partie auch geschmeichelt, indem er ihm das Potenzial attestierte, „uns zum Klassenerhalt zu schießen“. Einen tröstenden Klaps gab Matarazzo auch Munas Dabbur mit, der nach wenigen Sekunden Einsatzzeit und einem üblen Foul an Dodi Lukebakio vom Platz musste.
Dabei hatten die munteren Hoffenheimer auch am Samstag erst mal nicht viel aus ihrer deutlichen Überlegenheit gemacht. Doch wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Handelfmeter her – diesmal war er allerdings genauso berechtigt, wie der darauf folgende Foulelfmeter, die Kramaric beide nutzte (24./38.). Doch erst nach dem 3:0 durch Ihlas Bebou (51.) glaubte dann auch Matarazzo an den Sieg und die damit einhergehende Rettung des eigenen Arbeitsplatzes.
Während er sich nach den ersten beiden Treffern eher innerlich gefreut hatte, brach nun die Erleichterung aus ihm heraus. Und auch die rote Karte hatte auf das Spielgeschehen nur insofern Einfluss, als die Berliner Hilflosigkeit nun noch offensichtlicher wurde. Immerhin gelang in der Nachspielzeit noch das 1:3 durch Stevan Juvetic. Nach einem Auftritt, bei dem ihre Mannschaft nicht einmal in 25 Minuten Überzahl annähernd konkurrenzfähig waren, hatten selbst die Berliner Fans Mitleid mit ihrer Elf. Statt einer Standpauke bekamen die Spieler, die in Erwartung verbaler Prügel Richtung Gästekurve geschlichen waren, minutenlange Aufmunterndes zu hören. Nach allem, was man am Samstag (nicht) gesehen hat, wird die Hertha die in den kommenden Wochen auch dringend brauchen.
Auch die Diskussion um den Einstieg des Investors 777 dürfte den Verein weiter begleiten. In Sinsheim wurden die Hertha-Auswärtsfahrer von einigen hundert KSC-Fans unterstützt – beide Gruppierungen sind seit Jahrzehnten befreundet. Im an den Gästeblock angrenzenden Bereich hissten Hertha-Sympathisanten ein Protestplakat („Investoren unerwünscht“) und lösten damit ein kleines Scharmützel mit Ordnern und Heimfans aus, das die Gästefans für eine Weile vom traurigen Vortrag ihrer Mannschaft ablenkte.
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