: Höllenkatzen
Foxy Brown“, „She-Devils On Wheels“ – Billigproduktionen, mit denen Schauspielerinnen wie Pam Grier bekannt wurden und in denen die Frau bestenfalls die Rächerin mit Knarre und Körbchengröße DD ist. Mit Feminismus hat das wohl nichts zu tun, vergnüglich kann das trotzdem sein. Das Frauenfilmfest Feminale versucht nun die Girls, Gangs and Guns für die Frauenbewegung konsumierbar zu machen Von Cristina Nord
Der Titelsong ist ein Schlachtruf.
„We are the hellcats nobody likes, man-eaters on motorbikes“, heißt es darin, während im Hintergrund Motorradgetriebe knattern. Der martialische Reim gibt vor, was Hershell G. Lewis' B-Movie „She-Devils On Wheels“ ausmacht: Eine Gruppe von bösen Mädchen ist versessen auf Gewalt und auf Motorräder, mit den Männern verfahren sie je nach Belieben und bestimmt nicht zimperlich. Die Anführerin der Gang trägt einen feingliedrigen Gürtel um die Wespentaille, der sich beim zweiten Hinsehen als Motorradkette erweist. Damit schlägt sie zu, sooft sie Lust hat, und das hat sie ziemlich oft. Die alte Geschichte von den Waffen einer Frau wird hier sehr wörtlich genommen.
Der Film aus dem Jahre 1968 verbindet eine gute Dosis Gewalt mit schlechter Dramaturgie, schlechte Schauspieler mit einer guten Prise Sex und – vor allem – weibliche Reize mit mächtiger Schlagkraft. Ungewöhnlich ist das nicht für das Exploitation-Genre. Denn obwohl diese billigen Actionfilme wie „She-Devils On Wheels“ ursprünglich für ein vornehmlich junges, vornehmlich männliches Publikum produziert wurden, rückten sie aggressive Frauenfiguren, Rächerinnen und Frauenbanden gerne in ihren Mittelpunkt. In den mit möglichst kleinem Budget und ohne Aufwand hergestellten Filmen waren die Frauen so wild und gefährlich, wie Hollywood sie nie zu zeigen wagte – und all das bei unübertrefflichem Sexappeal. Zu Hoch-Zeiten der Exploitation-Ära florierten die Subgenres, gab es den Frauengefängnisfilm, den Motorradgangfilm, den Rache-nach-Vergewaltigung-Film, den Schwesternschülerinnenfilm, jeweils mit relativ monotonen Handlungsmustern und relativ fest gefügten Figurenkonstellationen.
Mittlerweile hat längst die Zeit der Remakes begonnen. „Barb Wire“ (1996) mit Pamela Anderson oder „Chained Heat 2“ (1993) mit Brigitte Nielsen sind Beispiele hierfür, aber auch „A Gun for Jennifer“ (1996), ein kruder Rächerinnenfilm, in dem eine Frauengang die sexistischen Übergriffe der Männer zunächst provoziert, um sie alsdann mit Kastration und Mord zu ahnden.
Deborah Twiss, Drehbuchautorin, Hauptdarstellerin und Produzentin von „A Gun for Jennifer“, sagt über ihren Film: „Ich habe so oft sehr gewaltreiche Actionfilme gesehen, in denen immer die Männer die Helden sind. Frauen sind nichts anderes als Sexobjekte, die von den Helden gerettet werden. Und danach haben sie Sex mit dem Helden und sagen Dinge wie: 'Wenn du nicht gekommen wärst, um mich zu retten, wäre ich verloren, also gebe ich mich dir hin.‘ Das ist so verdammt langweilig. Deswegen dachte ich mir, wir drehen den Spieß um und legen die Männer so eindimensional an, wie das in den gewöhnlichen Actionfilmen mit den Frauen geschieht.“
Bleibt die Frage, warum es die Hellcats und ihre Schwestern nicht zum frauenbewegten Rollenmodell gebracht haben.
Wie es um das feministische Potenzial des Exploitation-Genres und artverwandter Low-Budget-Produktionen bestellt ist, fragten sich denn auch die Macherinnen des Kölner Frauenfilmfests Feminale. Das Resultat ist „Girls, Gangs, Guns“, eine Filmreihe mit integrierter Tagung, die derzeit im Kölner Filmhaus stattfindet. Dass die Referentinnen – unter ihnen die B-Movie-Produzentin Stephanie Rothman und die Filmwissenschaftlerin Pam Cook – heute und morgen zu einer eindeutigen Antwort finden, steht freilich zu bezweifeln. Denn das Terrain könnte ambivalenter kaum sein.
Da ist zunächst einmal ein grundsätzlicher Vorbehalt gegenüber den Low-Budget-Produktionen, die schon im Namen führen, worauf sie gründen: auf Ausbeutung. Die Schauspieler werden schlecht bezahlt, Handlungsfäden und Personenkonstellationen erfolgreicher A-Movies werden ausgeschlachtet, der weibliche Körper wird ausgestellt. Gedreht wurde, wo es billig war. So entstanden auf den Philippinen in den Siebzigern zahlreiche Frauengefängnisfilme, für die Roger Cormans Produktionsfirma New World Pictures verantwortlich zeichnete.
New World Pictures diente als Sprungbrett für Regisseure wie Martin Scorsese und Jonathan Demme; Cormans Firma galt als liberal und fortschrittlich, nicht zuletzt, weil Stephanie Rothman hier als Drehbuchautorin und Regisseurin beschäftigt war und mit Filmen wie „Terminal Island“ frauenpolitisch relevante Themen ins Exploitation-Genre durchsickern ließ. Über die philippinischen Produktionen indes kommt die britische Filmkritikerin Bev Zalcock, ebenfalls bei der Tagung in Köln zu Gast, zu einem harschen Urteil: „Billig gemachte Filme, die eine Menge Sex, Gewalt, Nacktheit, Sadismus und Exzess bergen und Männerfantasien von hochgradig sexualisierten, geilen Frauen füttern.“
Das klingt nach vielem, nicht aber nach feministischem Vorbildfilm.
Es sieht also ganz so aus, als dürften die Frauen im Exploitation-Genre nur deswegen aktiv und stark sein, weil sie sich zugleich dem Voyeurismus des Zuschauers darbieten. Da erstaunt es kaum, dass die Figuren, die in ihrer Gewalttätigkeit die Grenzen der tradierten Geschlechterordnung hinter sich lassen, mit Vorliebe vor Gefängnis- oder Straflagerkulissen agieren: Die Bestrafung folgt der Überschreitung auf dem Fuß – oder ist ihr ohnehin vorangegangen. Die Höllenkatze aus Hershell G. Lewis' „She-Devils On Wheels“ jedenfalls wandert am Ende hinter Gitter. Was bedrohlich war an ihr, wird spätestens in dem Augenblick gebannt, in dem die Handschellen um ihre Gelenke zuschnappen.
Ähnlich ambivalent ist es um die von Pam Grier verkörperte Figur der Foxy Brown in Jack Hills gleichnamigem Blaxploitation-Opus bestellt. Denn Foxy mag sich zwar klug und cool behaupten und daher zu einer frühen feministischen Ikone stilisiert worden sein. Ihre Brüste sind dennoch ständiger Blickfang von Kamera- und Zuschauerauge. Die Szene, in der sie mit unschlagbar lässiger Geste den Revolver aus den Afrolocken zieht, konkurriert mit den plumpen Bildern, die sie nackt und hilflos zeigen, nachdem sie vergewaltigt worden ist. Der geschundene Körper wird in die sexuelle Fantasie eingespeist. Ganz davon zu schweigen, dass die Hälfte der Kampf- und Actionszenen in „Foxy Brown“ aus unkoordiniertem Möbelrücken besteht, als gelte es, die weibliche Schlagkraft, kaum ist sie behauptet, gleich wieder ins Lächerliche zu ziehen.
Nun ist Trash natürlich nichts, was sich aus der engen Perspektive frauenbewegter Antisexismusarbeit wertschätzen ließe. Zumal die Opferbiografien und der Realismus, mit denen die Unterdrückung der Frau in Zeiten des Patriarchats repräsentiert zu werden pflegt, auf Dauer etwas öde sind.
Über die Darstellungsnormen innerhalb feministischer Zirkel schrieb Elfriede Jelinek schon vor über zwanzig Jahren halb resigniert, halb genervt: „Wenn man nicht auf kürzestem Weg sagt, dass die Zustände so sind, wie sie sind, und wie schrecklich das ist, dann hat man schon mit Schuld daran, dass die Zustände so sind, wie sie sind.“ Statt sich dieser Logik einer Repräsentation des kürzesten Wegs zu verschreiben, plädierte die österreichische Autorin damals für „andre ästhetische Methoden, Ausbeutung erfahrbar zu machen. Vielleicht sogar durch die Beugung der Wirklichkeit.“
Die Exploitation-Filme entsprechen sicherlich nicht dem, was sich Jelinek unter „andren ästhetischen Methoden“ vorstellte. Und dennoch: Indem die B-Movies aus ihrem Sexismus keinen Hehl machen und damit die tradierte Geschlechterordnung auf die Spitze treiben, lassen sie die Mechanismen männlicher Macht und weiblicher Ohnmacht sehr klar zu Tage treten – anders als Hollywood, das mit elaborierten Handlungsmustern, ausgefeilter Figurenpsychologie und explodierenden Produktionskosten doch immer nur daran arbeitet, die gute alte Geschlechterordnung fortzuschreiben und dabei zu verschleiern, wie brutal diese Ordnung ist.
Hinzu kommt, dass die Low-Budget-Produktionen Freiheiten bieten, die größere Produktionen nicht haben. Stephanie Rothman, von der bei „Girls, Gangs, Guns“ gleich drei Filme laufen, nutzte diese Spielräume, indem sie mit „Student Nurses“ (1970) – bei standardisierter Handlungsführung und klischeehaften Figuren – immerhin ein gerüttelt Maß weiblichen Selbstbewusstseins und einige veritable Gesellschaftsprobleme auf die Leinwand brachte.
Ob Abtreibung oder Latino-Aufstand: Im B-Movie findet alles seinen Platz. Und dazu weht ein Hauch von Flower-Power durch „Student Nurses“, was leise daran erinnert, dass Sex nicht nur Ärger, sondern auch Spaß macht. Der zwei Jahre später gedrehte „Group Marriage“, ein Softporno, setzt dies fort. Zugleich liefert Rothman hier einen scharfen Kommentar zur sexuellen Revolution, insofern die promisken Protagonisten nichts sehnlicher als die bürgerliche Ehe für ihr Sechsergespann wünschen. Die Selbstparodie begleitet das Genre schon in einem frühen Stadium.
Schließlich zelebrieren die Exploitation-Filme eine fröhliche Maßlosigkeit und warten in den besseren Fällen mit reichlich Glamour auf. Quentin Tarantino wusste das sehr gut, als er vor zwei Jahren „Jackie Brown“ in die Kinos brachte, eine Hommage an Pam Grier und die Frauenfiguren der Blaxploitation-Ära, eine Hommage, die aber nie so dumm war, das Rad der Zeit zurückdrehen zu wollen.
Der herkömmliche Feminismus indes kennt keinen Platz für einen Glam, wie ihn Foxy Brown verkörpert, und er kennt auch keinen Platz für schlechte Fantasien oder die Ausschweifungen des schlechten Geschmacks.
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