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Hochwasser und UmweltbelastungDer Kaffeesatz der Flut

Nach dem Hochwasser sind Gewässer und Böden mit Schadstoffen belastet. Die Behörden kämpfen mit der Einschätzung der Schäden.

Wo Schlick und Schlamm zurückbleiben, hinterlassen sie zum Teil stark belastetes Material. Bild: dpa

BERLIN taz | Kein Badespaß im Chiemsee – wie viele andere Gewässer in Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist auch dieser See seit Wochen gesperrt: Mit der höchsten Warnstufe mahnen die Behörden derzeit davor, in den Seen der Flutregion im Südosten Bayerns zu baden. Noch immer seien Keimbelastung und Gefahr von Infektionen zu hoch.

Das betrifft auch das Trinkwasser. In vielen Gemeinden wurde es mit Chlor aufbereitet oder die Bürger wurden dazu aufgefordert, das Wasser zusätzlich abzukochen. Es dauert etwa zwei Wochen, bis das Nass wieder als sauber gelten kann.

Die biologischen Schadstoffe sind nur ein kleiner Teil des Problems: Zwar kann die Belastung durch Kolibakterien im Moment ihres Auftretens sehr intensiv sein – sie sind aber auch schnell wieder verschwunden.

Milliarden fließen

Nach dem Bundestag hat am Mittwoch auch der Bundesrat die Weichen für eine Auszahlung der Hilfsmittel für die Hochwassergebiete gestellt. Die Länderkammer gab grünes Licht für den mit 8 Milliarden Euro gefüllten Hilfsfonds. An ihm sind alle 16 Bundesländer mit 3,25 und der Bund mit 4,75 Milliarden Euro beteiligt. (afp)

Was bleibt, ist die Chemie. Neben Pestiziden von Feldern hat das Hochwasser auch Ablagerungen von Schwermetallen, Öl und organische Schadstoffe aus überschwemmten Kellern oder Werkstätten freigesetzt. Diese fließen mit der Strömung, bis sie sich an strömungsberuhigten Stellen absetzen.

Was bleibt, ist eine dauerhafte Umweltbelastung

Wo Schlick und Schlamm zurückbleiben, ob auf Äckern oder auf dem Grund der Gewässer, hinterlassen sie zum Teil stark belastetes Material. „Das ist eigentlich wie beim türkischen Kaffee“, sagt Wolf von Tümpling vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. „Wenn man das Kaffeeglas stehen lässt, dann ist unten Kaffeesatz, oben kann man Kaffee trinken – das ist im Prinzip das, was mit den Schwebstoffen im Fluss passiert.“ Das Resultat: keine akute Gefahr, wohl aber eine dauerhafte Umweltbelastung.

Möglicherweise drohen massive Ernteausfälle, meint Tümpling. Leichte Verschmutzungen, beispielsweise durch einen dünnen Ölfilm, können häufig noch von Bakterien abgebaut werden.

Und dann? Die Bauern müssen in vielen Fällen selbst einschätzen, wie verschmutzt ihre Ernte und ihr Ackerboden sind. Die Behörden schaffen es nicht, im gesamten Flutgebiet flächendeckend zu kontrollieren. Stattdessen versuchen sie, verschiedene Risikostufen einzuschätzen: An überschwemmten Gewerbegebieten, Industrieanlagen oder Tankstellen werden hohe Schadstoffwerte vermutet und dementsprechend Boden- und Wasserproben durchgeführt.

Im Einzelnen haben die Ämter aber keinen Überblick, wo im Überflutungsgebiet ein Dieseltank leckte, Heizöl ausgelaufen ist oder Pestizide weggeschwemmt wurden. Deshalb ist die Grauzone in der Schadensbemessung hoch. Reinhild Benning vom BUND findet das inakzeptabel: „Nach der Flut bestehen unüberschaubare Risiken, dass die Ernte aus diesen Gebieten zum Verbraucher gelangt. Die Politik muss in den ökologischen Hochwasserschutz investieren, um diesen Situationen vorzubeugen.“

Dem ökologischen Hochwasserschutz steht in vielen Fällen die individuelle Gewinnmaximierung im Weg: Fruchtbare Auengebiete, die ursprünglich natürliche Überschwemmungsflächen sind, werden häufig als Ackerland verwendet – ein Maisfeld kann aber höchstens halb so viel Wasser aufnehmen wie eine Auenweide.

Während die Pegelstände in Sachsen und Brandenburg am Mittwoch nach heftigen Regenfällen wieder anstiegen, wird längst intensiv über den Wiederaufbau nachgedacht. „Es sind ja eine Reihe von Anschaffungen zu ersetzen. Die müssen neu gekauft werden“, sagte Rolf Bürkl vom Marktforschungsunternehmen GfK. Auch die Flutkatastrophe von 2002 habe im Nachhinein wie ein kleines Konjunkturpaket gewirkt.

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4 Kommentare

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  • K
    Karl

    @ Lao De:

     

    Was für ein typischer Politdummschwätzer!

     

    Was die Kontaminationsproblematik angeht, kannst ausweislich Deiner hochqualifizierten Ausführungen wohl garnicht beurteilen.

     

    Auch waren die Einheiten lediglich Beispiel um die Problematik der Einschätzung durch Laien und andere Kasperköppe zu verdeutlichen!

     

    Richtig ist allerdings: Die Politik - über alle Parteigrenzen - verschleppt die fachgerechte Untersuchung seit Jahrzehnten durch gezielt unzurichende Gesetzgebung.

     

    Und wer in einem Überflutungsgebeit baut, sieht das gewöhnlich und darf mit den Folgen leben!

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • LD
    Lao De

    Es geht mal wieder um die quadratur der Real-Politik.

    Wieviel geben wir aus der Gemeinschaftskasse für kurzfristige Schadens-Regulierung aus und wieviel für die langfristige Prävention ?

    Darf man einen Haubesitzer entschädigen, der jahrelang von Versicheurngen nicht aufgenommen wurde und nun alles verloren hat ?

    Wieviel Verantwortung + finanzielle Beteiligung tragen die großen politischen Planer in Bund, Region und Gemeinden, wenn sie von den großen Hochwasser-Schutz-Zielen, die vor knapp 10 Jahren beschlossen wurden, keine 10% bisher umgesetzt sind ?

    Wer zahlt, wenn sich Nachbargemeinden Jahre- und Jahrzehntelang nicht einigen können, wer die Hochwasser-Ausgleichs-Flächen bezahlt und wer die Deiche der Nachabrgemeinde, von denen viele profitieren ?

     

    Wer haftet für die Agra-Politik, welche die massive Drainage von Äckern erlaubt und sich einen Teufel um das verschobene Risiko in die Nachbarschaft kümmert ?

     

    Welche Risiko-Beteiligung tragen Kreditgeber vor oder zur Vermeidung der Insolvenz der Kredit-Nehmer, welche die Kapital-Intensive Landwirtschaft schon als Standard produziert ?

     

    Die aktuelle Debatte zur staatlichen Neu-Regelung zur Verpflichtung der Versicheurngs-Gesellschaften für betimmte Regionen + Branchen geht in die richtige Richtung, aber wir dürfen gespannt sein, was am Ende als Polit-Kompromiß zwischen den zahlreichen Interessengruppen heraus kommt und welches Gewicht dabei die Interessen der Versicherungs-Industrie haben wird.

     

    Rechnet jemand die gigantischen Folgekosten von industrieller Landwirtschaft + anarchischer regionaler Hochwasser-Politik auf das Konto 'freie Wirtschaft' an ?

     

    Was soll + könnte man mit einer polit-Verwaltung á la Ilse Aigner + Altmeier tun, wenn sie meint, sie habe keinen Einfluß auf die Drainage-Politik der Ackerland-Besitzer ? (kürzlich im Interview fast wörtlich !)

    Wenn 2 so eng benachbarte Ministerien offenbar nicht zusammen arbeiten, um das klein karierte Probleme-Verschieben lokaler Wirtschafts-interessen zu einer sinnvollen Zusammenarbeit zu bringen, über Parzellen + Kreisgrenzen hinweg, wer kann da mal die Ohren lang ziehen und konstruktive Zusammenarbeit befehlen ?

     

    Weit jenseits der mikrogramm-Rechnerei kann doch jeder leicht abschätzen, daß ein havarierter 1.000 L Heizöl-Tank in unmittelbarer Nachbarschaft von Ackerflächen und Grundwasser-Zugängen einen Schaden anrichtet, der viel Jahre bis Jahrzehnte nachwirkt.

     

    Bis heute ist die Bodenbelastung des Ruhrgebietes als Folge der 200 Jahre Industrie- und Bergbau-Geschichte von den Komunen nicht wirklich umfangreich analysiert und deren Auswirkungen auf Grundwasserströme nicht wirklich erfaßt !

    Wer Real-Politik kennt weiß, daß sehr oft Umwelt-Probleme + -Risiken eher verdrängt + vertuscht werden, weil niemand den Schaden oder den Schutz-Aufwand bezahlen kann + will.

     

    Na, dann freuen wir uns demnächst auf die Jahrhundert-Dürre nach der Jahrtausendflut !

     

    LaoDe

  • K
    Karl

    Tja dann wollen wir doch hoffen das die Schwermetallbelastung nicht zu 90% geogen ist, wenn man nicht gerade neben einer Gießerei etc. wohnt.

     

    Und die "Organikeinträge", soweit diese nicht hochhalogeniert sind, wedren durch das Wechselbad von oxidativer zu nun stark reduktiver chemischer Umgebung auch flott mikrobiologisch und sogar anorganisch wegreduziert! Photolyse tut ein übriges.

     

    Und nicht vergessen: Hohe Konzentrationen in Volumenproben sind ohne Kenntnis der Systemgleichgewichte und der Analysenmethodik keine belastbare Aussage über die gegebene lokale Belastung! Und weil das wieder keiner versteht ein Beispiel:

     

    Ein Probenvolumen mit 800 mg Pb kann eine recht geringe Belastung sein, wenn der Volumenstrom (die Gesamtfracht) nur 10 l in 100 Tagen ist; sind es dagegen 1000 cbm in 100d siehts anders aus, selbst bei 8 mg/l.

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • SM
    Stephan Mirwalt

    In meinen Augen ist das ganz einfach. Für die Schäden müssen Chemiefirmen, Autofahrer, Hausbesitzer die z.B. Solaranlagen oder eine Ölheizung haben, Landwirte die die Böden mit Pestiziden verpestet haben. Es kann nämlich nicht sein das die Steuerzahler dafür aufkommen müssen. Und wenn das Geld nicht reicht müssen alle Autofahrer in Sippenhaft genommen werden, sprich alle müssen zahlen.

     

    Ich fahrer auch nur mit dem Fahrrad und empfinde Autofahrern gegenüber nichts als Verachtung!