Hochwasser in Thailand: Düsteres Szenario für Bangkok
Die schwerste Überschwemmung seit 50 Jahren bedroht die Hauptstadt in ihren Grundfesten. Denn die Metropole sinkt, und der Pegel im Golf von Thailand steigt.
BANGKOK taz | Zumindest in einem Abschnitt an der Charansanitwong, einer Verkehrsader im Westen von Bangkok, beginnt das große Aufräumen. Mit Schrubbern und Schläuchen rücken die Bewohner des Viertels den Überresten des stinkenden, verseuchten Wassers zu Leibe, in dem Müll, Fäkalien und Tierkadaver schwimmen. Und nur wenige hundert Meter entfernt ist die Charansanitwong immer noch überflutet.
Die gesundheitlichen Folgen sind in ihrem ganzen Ausmaß noch nicht absehbar: Immer mehr Menschen klagen über Durchfall, Entzündungen und Pilzerkrankungen; auch Depressionen sind weit verbreitet.
Angesichts der aktuellen Katastrophe ist die Debatte über den Untergang Bangkoks neu entbrannt. Zwar gilt die Hauptstadt wegen ihres ausgeklügelten Netzwerks an Deichen, Kanälen und Pumpstationen als vergleichsweise gut geschützt.
Doch einem Desaster dieser Art und dem Strom der Wassermassen von Norden ist dieses System nicht gewachsen. Hastig sind zusätzliche Deiche errichtet oder erhöht worden, um das Schlimmste wenigstens für die im Innern gelegenen Geschäfts- und Touristenviertel abzuwenden. Dennoch rücken die Fluten immer näher an das Zentrum heran.
Experten malen daher ein düsteres Szenario: Die derzeitige Flut sei lediglich ein Vorgeschmack auf das, was Bangkok künftig zu erwarten habe. Bis 2050 würden immer mehr Areale im Großraum der Metropole von Überschwemmungen betroffen sein.
Die Stadt versinkt
Das beziehe sich vor allem auf die außerhalb der Flutmauern gelegenen Gebiete im Norden und Südwesten der Stadt, heißt es in einer 2010 veröffentlichten Studie von Asiatischer Entwicklungsbank, Japanischer Bank für Internationale Zusammenarbeit und Weltbank.
Wenn man die Hände in den Schoß lege, würden sich in spätestens 50 Jahren die meisten Teile der Hauptstadt unter den Meeresspiegel befinden, warnt zudem der Klimaexperte Anond Snidvongs von der Bangkoker Chulalongkorn-Universität. Die Stadt sinke jährlich ein bis drei Zentimeter ab.
Thailands Hauptstadt wurde auf Sumpfgebiet gebaut. Sie liegt nur knapp zwei Meter über dem Meeresspiegel und befindet sich nur 30 Kilometer nördlich des Golfes von Thailand. Dessen Pegel soll infolge der globalen Erwärmung bis 2050 um bis zu 29 Zentimeter ansteigen.
Veränderter Grundwasserspiegel
Das Untergangsszenario wird jedoch nicht zuallererst dem Klimawandel zugeschrieben. Die eigentlichen Ursachen sehen viele Experten wie Tara Buakamsri, Klima- und Energieexperte von Greenpeace Thailand, in den sozioökonomischen Faktoren: Bedingt durch den steigenden Bedarf von Industriebetrieben und Privathaushalten, wurde immer mehr Grundwasser abgepumpt, wodurch sich ganze Landstriche abgesenkt haben.
Hinzu kamen ausufernde Bebauung sowie die Zerstörung natürlicher Auffangbecken und Barrieren wie Polder und Mangrovenwälder entlang der Küstengebiete. "Allerdings werden diese Zustände durch den Klimawandel und die immer extremeren Wetterbedingungen verschärft", so Tara Buakamsri.
Um dem entgegenzuwirken, empfehlen die Experten der Entwicklungsbanken eine bessere Bauplanung. Zudem müsse die Errichtung von Deichen mit der Restauration von Mangrovenwäldern einhergehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“