Hochwasser in Brandenbrug: Oder gibt sich die Kante
Die Flut hält Brandenburg in Atem, aber bis auf kleinere Schäden halten die Deiche. Pegel von 6,27 Metern für mehrere Tage.
"Ich leb seit 68 Jahren mit dem Wasser, ich versteh die ganze Aufregung nich." Der Ratzdorfer Lothar Häusler steht mit zwei Freunden an der Straße, die zum Deich führt. Ihr ganzes Leben haben die drei in dem kleinen Ort verbracht, wo Oder und Neiße zusammenfließen. "Und der Fluss gehört da einfach zu." Früher, sagt Häuser, sei regelmäßig die ganze Straße bis zum Dorfplatz überschwemmt gewesen. "Da sind wir als Kinder Kahn gefahren, in Zinkwannen."
Am Freitagvormittag hat der Scheitel der Flut Ratzdorf erreicht. Einen Spitzenwert von 6,30 Metern maß die Digitalanzeige auf dem halb im Wasser versunkenen Pegelhäuschen. Jetzt sind es nur noch 6,27 Meter, und so soll es ein paar Tage bleiben. Die Oder fließt schnell, die Wassermassen drücken aus Polen nach Brandenburg hinein, ein halber Baum wird von den Fluten weggetragen.
Neben dem Pegelhäuschen weist ein jahrzehntealter dicker Baumstamm den Höchststand von 1997 aus, dem Jahr der Jahrhundertflut. "Das ist ja nur noch ein halber Meter", hatte einer der vielen Fluttouristen noch am Donnerstag festgestellt. Jetzt ist der Deich leer, abgesperrt. Die Helfer der freiwilligen Feuerwehr lehnen aber recht entspannt an der Spundwand.
Auch die Politiker signalisieren Gelassenheit: "Der Deich ist in seinem Wesen nicht gefährdet", sagt Innenminister Rainer Speer (SPD). Er ist wie viele andere Mitglieder der Potsdamer Landesregierung am Freitag an der Oder unterwegs, um sich über die Lage zu informieren. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) besucht mit seiner Umweltministerin Anita Tack von der Linken den Ort Zollbrücke (Märkisch-Oderland) und betont gegenüber der Presse, das Oderbruch sei sehr gut auf die Flut vorbereitet. Heute stünden hier hochmoderne Deichanlagen: "Die Wackelpuddingerscheinungen der Deiche, wie wir sie hier 1997 flächendeckend hatten, können wir ausschließen."
Am Nachmittag wird dann bei Schwedt (Oder) ein Polder geöffnet - eine weitere Maßnahme mit dem Ziel, die Lage im stark überschwemmungsgefährdeten Oderbruch stabil zu halten. "Besonders unsere polnischen Nachbarn in der Stadt Szczecin (Stettin) sollen hierdurch entlastet werden", sagt der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude. Noch am Abend soll eine weitere Polderfläche gezielt überflutet werden. Insgesamt geht es um 4.500 Hektar.
Nur zwei Kilometer nördlich von Ratzdorf haben am Freitagvormittag 30 Feuerwehrleute einen Riss in einem alten Deich geflickt. Ein paar Bauern machen sich Sorgen um ihre Äcker und das Vieh. Doch nach einer ersten Inspektion des Schutzwalls kommen sie beruhigt zurück. "Haben wir erst mal Glück gehabt, ja?", fragt eine Bäuerin in der nahe gelegenen Landfleischerei.
Am Deich stehen nur noch eine Handvoll Polizisten und ein Mitarbeiter des Umweltamts. "Ich fahr immer mal wieder zum Riss, um zu gucken", sagt der Mann vom Umweltamt, "jetzt sieht es gut aus, aber die nächsten Tage wird es spannend. Da müssen die Deiche aushalten".
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