piwik no script img

Hochschulwatch zu StiftungsprofessurenWem nützt die Wissenschaft?

Die Online-Plattform Hochschulwatch dokumentiert Kooperationen zwischen Wirtschaft und Unis. Diesmal: Die FH Flensburg und die Windkraftfirmen.

Noch viel zu forschen bei der Windkraft, hier bei Nacht in Altentreptow/Mecklenburg. Bild: Stefan Sauer/dpa

BERLIN taz | Am 23. März 2010 unterschrieben die FH Flensburg und sieben regionale Unternehmen einen Kooperationsvertrag. Darin verpflichteten sich die Unternehmen, fünf Jahre lang jährlich 145.000 Euro für die neue Professur Windenergietechnik zu zahlen. Die FH Flensburg steuerte 5.000 Euro bei und versprach, die Kosten der Professur nach Ablauf der Förderzeit zu übernehmen. Die Stifter sind allesamt in der Windbranche tätig.

Die Flensburger Professur für Windenergietechnik ist eine von rund 1.000 Stiftungsprofessuren an deutschen Hochschulen, die auf dem runderneuerten Portal hochschulwatch.de aufgelistet sind. Vor zwei Jahren wurde das Projekt von Transparency International und der taz gestartet, um die Kooperationen der Wirtschaft mit den Hochschulen auszuleuchten.

Dabei zeigt sich, dass Unternehmen und Stiftungen nicht nur Professuren stiften, sondern auch Veranstaltungen sponsern, angegliederte Institute bezuschussen und Professoren mit Forschungsaufträgen bestücken. Wer wo was bezahlt, kann man auf hochschulwatch.de sehen.

„Transparenz ist ein hohes Gut der Wissenschaft“, sagt Edda Müller, Vorsitzende von Transparency International Deutschland. „Wir fordern eine Veröffentlichungspflicht aller Kooperationsverträge zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sowie regelmäßige Sponsoringberichte aller Hochschulen.“

Die Stifter erwarten eine „enge Kooperation“

Wie aufschlussreich die Offenlegung solcher Verträge wäre, zeigt ein Blick in den Kooperationsvertrag der FH Flensburg, der der taz vorliegt. Die Stifter erwarten von dem künftigen Professor eine „enge Kooperation mit der Wirtschaft“ und „ein besonderes Engagement in der angewandten Forschung“. Und schreiben dem Lehrstuhlinhaber deshalb vor, in der Förderperiode nur 9 statt 18 Semesterwochenstunden lehren zu dürfen.

Auch bei der Verwendung der Gelder diktieren die Stifter: Ein Beirat aus fachkundigen Mitgliedern „insbesondere aus der Wirtschaft“ – und nicht die Fakultät – entscheidet über die Verwendung der gestifteten Projektmittel. Tatsächlich sind alle Stifter und weitere Vertreter der Windbranche im Beirat vertreten, die FH Flensburg gerade mal mit einem von 16 Sitzen.

Verliert hier eine Hochschule die Selbstbestimmung über Lehre und Forschung? Torsten Faber ist Inhaber der Windenergietechnik-Professur. Für ihn ist die enge Zusammenarbeit von Vorteil: „Der Beirat weiß sehr genau, welche Forschungsthemen für die Wirtschaft relevant sind. Und Projekte können schnell realisiert werden.“ Faber räumt ein, dass sich das Beiratsmodell nach einem Eingriff in die Freiheit der Forschung anhört. Es gebe aber auch Kooperationen mit Unternehmen, die nicht im Beirat vertreten sind, also mit direkten Konkurrenten der Stifter.

Die Zahl der privat finanzierten Lehrstühle hat sich verdoppelt

Jeder fünfte Euro, den die Unis ausgeben, kommt aus der gewerblichen Wirtschaft, von Stiftungen oder öffentlichen Forschungseinrichtungen. 2012 nahmen die Hochschulen so 6,8 Milliarden Euro zusätzlich ein. In den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl der privat finanzierten Lehrstühle verdoppelt. Dieser Anstieg spiegele die zunehmende Abhängigkeit der Hochschulen von privaten Geldern wider, sagt Isabella Albert vom ASten-Dachverband „freier zusammenschluss von studentInnenschaften“ (fzs): „Ein Studium ist keine Berufsausbildung. Es kann nicht nur die Interessen eines Unternehmens bedienen. Die Drittmittel an unseren Hochschulen führen aber genau dazu.“

Auf hochschulwatch.de sind mehr als 10.000 Kooperationen zwischen Stiftungen, Wirtschaft und Hochschulen zu sehen. Ebenfalls neu: Man kann jetzt gezielt nach den Geldgebern suchen. Mit einem Klick sieht man, in welchen Hochschulen sich Stiftungen und Unternehmen finanziell engagieren. Künftig soll auch zu sehen sein, welche Professoren in der Vergangenheit bei einem Kooperationspartner gearbeitet haben.

Vor seiner Anstellung als Professor war Torsten Faber Abteilungsleiter für Rotorblätter und Bautechnik beim Germanischen Lloyd – einer der Firmen, die jetzt seinen Lehrstuhl finanziert. Derzeit gibt es am Institut ein Forschungsprojekt mit Fabers früherem Arbeitgeber. Für Faber ist das kein Konflikt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Freiheit für Forschung und Lehre? Aus der linken Ecke habe ich bisher immer nur Versuche der Einschränkung derselben erlebt, Trillerpfeifenkonzerte, öffentlicher Druck und Kampagnen, ASTen mit politischer und gesellschaftlicher Agenda.

     

    Ich finde, hochschulwatch.de sollte seinerseits umfassend Auskunft geben über personelle und und finanzielle Verflechtungen mit den üblichen pessure-groups und NGOs, die aus der Verknüpfung von politischer Kaderrevolution mit hauptberuflichem Funktionärsunwesen ein lukratives Geschäftsmodell gemacht haben.

    • @Ron Jeremy:

      Logisch, das auch die ganzen Nichtsnutze amWissenschaftsapparat profitieren wollen, nur ohne eigene wissenschaftliche Leistung!

       

      Gererell ist es ja nicht schlecht wenn es auch solche "NGO" Konstrukte gibt, nur sollten die auch transparent sein und etwas weniger Größenwahn an den Tag legen. Denn die wenigsten beteiligten dürften einen qualifizierten Bewertungsmasstab für die Objekte der Kritik haben.