Hochhausdebatte in Berlin: Der Regierende wünscht sich eine echte Skyline
Es gibt genug Begehrlichkeiten nach Hochhäusern in Berlin. Was die Stadt am dringendsten braucht, bringen die aber nicht: bezahlbaren Wohnraum.
W er Kai Wegner zuhört, der bekommt den Eindruck, dass eine Ansammlung von Häusern nur dann den Namen Metropole verdient, wenn ein paar von diesen besonders hoch ausfallen. Berlin müsse sich mehr trauen, sagte der Regierende Bürgermeister, als er Anfang des Monats mit einer Wirtschaftsdelegation im Gepäck während seiner USA-Reise auf die mehrere hundert Meter in den Himmel ragenden Türme New Yorks starrte. Natürlich wünscht er sich auch für Berlin eine „deutlich höhere Skyline“.
Warum das nötig ist, verrät Wegner nicht. Vielleicht weiß er es selbst nicht. Das Hochhaus ist für ihn womöglich einfach ein Selbstzweck. Dabei fragen sich durchaus viele Berliner, die seit vergangenem Jahr den Kopf in den Nacken legen müssen, um bis zur Traufe des bislang höchsten Turms der Stadt blicken zu können: Was bringt uns dieser 142 Meter hohe Turm, der für das Management von Amazon aus dem Boden gestampft wurde?
Was solche Hochhäuser definitiv nicht bringen, ist das, was Berlin am dringendsten bräuchte: bezahlbarer Wohnraum. Der Großteil der Hochhäuser wird für Büros gebaut. Gelegentlich finden sich auch ein paar Wohnungen in den Türmen, um sie als „Mixed-use“-Immobilien rechtfertigen zu können. Unter den gelegentlich auffindbaren Wohnungen ist dann vielleicht auch mal eine Sozialwohnung. Ab 60 Meter wird der Bau von Hochhäusern ohnehin so teuer, dass dort kein Normalverdiener mehr einziehen kann. Der Brandschutz stellt dann höhere Anforderungen an die Baumaterialien, zwei Sicherheitstreppenhäuser werden nötig. So diskutiert Berlin gerade über ein Wohnhochhaus mit dem Namen Ruth (71 Meter) südlich des Tempelhofer Feldes, in dem ein großer Teil der Wohnungen leer steht. Kein Wunder bei Kaltmieten ab 24 Euro pro Quadratmeter.
Bei Hochhäusern geht es aber am Ende nicht nur darum, dass dort überhaupt etwas einzieht. Hochhäuser sind gut zum Geldparken. Wegner hätte sich in Manhattan nur einmal die Billionaires’ Row zeigen lassen müssen. Die acht Luxustürme nahe dem Central Park haben deutlich höhere Leerstandquoten als ostdeutsche Kleinstädte.
Gut für den Wertzuwachs
Daneben sind Hochhäuser auch, ohne dass sie überhaupt gebaut werden müssen, gut für den Wertzuwachs. Sobald eine Baugenehmigung für solch einen Turm erteilt ist, vervielfacht sich das Preisschild des Bodens, auf dem dieser einmal gebaut werden soll.
Gut ist es deshalb, dass im Baukollegium, das den Berliner Senat in Fragen des Städtebaus berät, am Montag vorgeschlagen wurde, es Frankfurt am Main nachzumachen. Wenn Investoren sich künftig mit einer Landmarke in Berlins Skyline verewigen wollen, sollten sie verpflichtet werden, einen Teil dieser Wertsteigerung in soziale Infrastruktur und Grünanlagen in der Umgebung zu investieren.
Apropos Geltungsdrang: Von dem Stararchitekt des Amazon Tower, Bjarke Ingels, wird berichtet, dass er sich mitunter pubertär am Namen der Internetadresse seines dänischen Architekturbüros erfreuen kann. Mann muss sich bei BIG.dk nur zwei Buchstaben hinzudenken.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Nicht überliefert ist allerdings, wie es Ingels erging, als er herausgefunden hat, dass er in Berlin nicht mehr den Größten hat. Seit Anfang des Monats hat nämlich der Rohbau des Estrel Towers in Berlin die 150-Meter-Marke geknackt. Weitere 26 Meter sollen noch folgen.
In New York mag man darüber lachen. Zum Möchtegern-Glamour der märkischen Metropole passt es: Das erste Hochhaus Berlins, das sich Wolkenkratzer nennen darf, steht ausgerechnet in einem Gewerbegebiet außerhalb des S-Bahn-Rings.
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