Hochhausbau in Berlin: Besser nicht zu hoch hinaus
An der Jannowitzbrücke plant ein Investor ein neues Hochhaus. Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) fordert Mischnutzung nach dem „Hochhausleitbild“.
Der konkrete Fall, auf den sich der Stadtrat bezog, ist ein trapezförmiges Grundstück an der Ecke von Alexanderstraße und Stralauer Straße, südlich des Alexa-Shoppingcenters und vis-à-vis dem S-Bahnhof Jannowitzbrücke. Hier gab es eigentlich seit 2021 eine Baugenehmigung für ein 68 Meter hohes Hotel des Investors CESA Group. Der ließ das Projekt allerdings fallen, und das Grundstück ging an die HB Reavis, ein Unternehmen, das laut eigener Website einen „WellBeing-Ansatz für die Immobilienentwicklung“ verfolgt, um „Menschen glücklich“ zu machen.
Nüchtern betrachtet geht es natürlich auch HB Reavis ums Geldverdienen. Das soll nun durch Vermietung von Büroflächen in einem Turm geschehen: nach den ersten vom Investor eingeholten Vorschlägen würde der bis zu 200 Meter hoch ausfallen. Das Baurecht muss aber neu hergestellt werden, und Stadtrat Gothe hat sich nach einer Planungswerkstatt im Juni sowie Vorstellungen des Projekts im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses und im Bezirksamt auf 110 bis 115 Meter festgelegt.
Die eingeforderte Transparenz soll nun mit einer ersten „stadtöffentlichen“ Veranstaltung kurz nach der Bundestags-Nachwahl am 11. Februar Gestalt annehmen. „Hochhäuser gehen alle an“, sagt der SPD-Mann. Darauf folge eine weitere Planungswerkstatt vor den Osterferien. Die Erteilung einer Baugenehmigung sieht er „vielleicht Ende 2026“.
Öffentlicher Zugang muss sein
Wichtig ist Gothe, dass das Berliner Hochhausleitbild – entworfen in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch unter linker Ägide – zur Anwendung kommt: Es wäre das erste Mal in Mitte. Für das abgesagte Vorgängerprojekt galt es noch nicht. Insbesondere geht es dabei darum, die Gebäudenutzung zu diversifizieren und den öffentlichen Zugang für bestimmte Flächen zu gewährleisten.
Das Leitbild sieht Folgendes vor: Bei Bürohochhäusern, die mehr als 60 Metern hoch sind, sollen 30 Prozent der Geschossfläche für „Wohnen, kulturelle Einrichtungen, soziale Infrastruktur, Bildungseinrichtungen, sonstige nicht gewerbliche oder nicht kommerzielle Nutzungen“ zur Verfügung stehen. Das soll „lebendige, urbane Nachbarschaften durch Schaffung einer dem Standort angemessenen funktionalen Mischung“ garantieren.
Von (Eigentums-)Wohnungen in zentral gelegenen Hochhäusern hält Ephraim Gothe wenig: Die würden oft von Superreichen als Statusobjekte gekauft und stünden die meiste Zeit leer. In der ersten Planungswerkstatt wurde stattdessen die Idee entwickelt, fast 2.000 Quadratmeter als „Flexi-Büro für Communities/Vereine mit vergünstigter Miete“, fast ebenso viel Fläche für Gesundheitsservices sowie Bereiche für Kultur und Gastronomie auszuweisen. Dabei handelt es sich bislang freilich nur um einen ersten Entwurf.
Ein öffentlich zugängliches oberstes Geschoss, wie im Hochhausleitbild vorgesehen, soll es nach dem Willen des Baustadtrats an der Jannowitzbrücke nicht geben. Die Alternative: eine öffentlich – und kostenlos – zugängliche, begrünte Dachterrasse auf dem fünfgeschossigen Sockelgebäude, über dem sich ein „schlanker“ Turm erheben soll. Diese Terrasse in 25 Metern über Straßenniveau habe einen höheren Mehrwert für die Allgemeinheit als etwa ein Restaurant in der Turmspitze, so Gothe – die Terrasse hätte im Übrigen auch die Unterstützung der Linken in der BVV gefunden.
Zuletzt hatte es in Sachen Hochhäuser mehrere Vorstöße gegeben: Der Eigentümer des Europacenters am Breitscheidplatz, Christian Pepper, verkündete seine Idee eines 300-Meter-Turms direkt neben dem alten Hochhaus. Und CDU-Fraktionschef Dirk Stettner fand, Berlin solle „an einigen Stellen eine deutlich höhere Skyline mit prägenden Wolkenkratzern haben“. Aus Ephraim Gothes Sicht geht das in die Irre. Und auch von einigen der jüngsten Projekte hält er wenig: Den Amazon-Tower an der Warschauer Brücke etwa bezeichnete er am Mittwoch als „dunkel, scharfkantig und plump“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz