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Hitze macht Kaffee zum Verdruss

Dürre, Starkregen, Hurrikans – die Folgen des Klimawandels vernichten Ernten. Die Qualität leidet, und die Preise steigen

Farm-Arbeiter bei der Kaffeeernte im brasilianischen Bragança Paulista Foto: Andre Penner/ap

Von Svenja Bergt und Jonas Waack

Kaffee

Im Supermarkt kostet Kaffee aktuell etwa 12 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. An den Rohstoffbörsen werden sogar Rekordpreise ausgerufen – im Februar kostete ein Pfund zwischenzeitlich 4,33 Dollar, im Juni vergangenen Jahres waren es noch 2,31 Dollar. Dementsprechend wird sich der Preis in naher Zukunft wohl nicht erholen. Der Grund: Zuerst außergewöhnlicher Frost und dann überdurchschnittliche Temperaturen haben in Brasilien den Kaffeepflanzen in der Blütezeit im Herbst vergangenen Jahres zugesetzt. Brasilien ist das wichtigste Anbauland für Kaffee. Im zweitwichtigsten, Vietnam, war es ebenfalls zu trocken.

Dazu kommt: Arabica, der wichtigsten Kaffeesorte, wird es in ihrer klassischen Anbauzone zwischen 1.400 und 2.000 Metern über dem Meeresspiegel zu warm. Je höher sie angebaut werden muss, desto kleiner werden aber die Anbauflächen, weil es immer gebirgiger wird.

„Die klassische Lösung ist Züchtung“, sagt Teja Tscharntke, Biologieprofessor an der Universität Göttingen und Kaffee-Experte. „Aber das passiert nicht von heute auf morgen.“ Kaffeesträucher ließen sich nicht so schnell züchten wie die kurz­lebigeren Kräuter, „das kann mehr als zehn Jahre dauern“.

Auch die robustere Sorte, die in Vietnam angebaut und nützlicherweise „Robusta“ genannt wird, steht vor Problemen: Sie kommt zwar mit höheren Temperaturen zurecht und wird im Tiefland angebaut, sodass sie nicht wie Arabica immer höher wandern muss. Dafür ist Robusta deutlich stärker auf Wildbienen-Bestäubung angewiesen – doch die Insekten leiden ebenfalls unter dem Klimawandel: „Beim Hochlandkaffee Arabica können bis zu 50 Prozent des Fruchtansatzes von Bienen-Bestäubung abhängig, beim Tieflandkaffee Robusta mehr als 90 Prozent“, sagt Tscharntke. Ohne Bestäubung während der Blütezeit kein Fruchtansatz, und kein Fruchtansatz bedeutet: keine Kaffeebohne.

Orangensaft

Die diesjährige Orangenernte in Brasilien ist immerhin nicht so katastrophal wie im vergangenen Jahr. „Das könnte zu einer Entspannung der Preise führen“, sagt Klaus Heitlinger, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Fruchtsaft-Industrie VdF. 80 Prozent des weltweit gehandelten Orangensafts besteht aus brasilianischen Früchten. Wenn dort, wie im brasilianischen Sommer 2024/25, die schlechteste Ernte seit 36 Jahren eingefahren wird, schießen die Saftpreise nach oben: Seit 2020 ist Orangensaft um 50 Prozent teurer geworden. Hohe Temperaturen und Wassermangel setzen den Orangenbäumen zu. Hinzu kommt die Citrus-Greening-Krankheit, die ganze Plantagen vernichten kann und bislang nicht behandelbar ist. Dem VdF zufolge sind in der größten Anbauregion Brasiliens zwischen 40 und 80 Prozent der Bäume befallen.

Der Preis ist extrem abhängig von Brasilien, Alternativen gibt es kaum: „Vor 15 Jahren haben Orangen aus dem US-Bundesstaat Florida noch 10 bis 15 Prozent des Welthandels ausgemacht, jetzt ist Florida als Exporteur praktisch nicht mehr existent“, sagt Heitlinger. Denn: Die durch den Klimawandel heftiger und häufiger werdenden Hurrikans reißen die Früchte von den Bäumen. Orangensaft werde durch den Klimawandel langfristig teuer bleiben, sagt Heitlinger – auch, weil die Hersteller als Reaktion auf die schwankenden Ernten mehr Konzentrat in Tanks lagern. Doch auch das treibt den Preis.

Olivenöl

Hitzewellen, Dürre, nächtlicher Frost. In Spanien, dem weltweit größten Anbauland von Olivenöl, sah es vor allem in den Jahren 2022 und 2023 nicht gut aus für die Bäume. In den schlechten Jahren sank der Jahresertrag in Spanien auf nicht einmal die Hälfte der eigentlich üblichen 1,5 Millionen Tonnen.

„Der Ölbaum kann einiges aushalten an Hitze und Trockenheit, aber auch seine Anpassungsfähigkeit hat Grenzen“, sagt Jochen Wettach. Der Lebensmittelchemiker untersucht bei der Stiftung Warentest immer wieder Olivenöle. Der Test im vergangenen Jahr schaffte eine breite Aufmerksamkeit dafür, dass die Produkte klimakrisenbedingt teurer werden – und schlechter.Im vergangenen Jahr musstenKun­d:in­nen laut dem Statistischen Bundesamt mehr als doppelt so viel zahlen wie 2020 – mittlerweile sind es nur noch gute 70 Prozent mehr.

„Schlechte Ernten gab es schon immer, aber in so einem großen Anbaugebiet zwei Jahre in Folge derartige Einbußen, das gab es mindestens in den letzten Jahrzehnten nicht“, sagt Wettach. Und auch mit einer Entspannung der Wetterlage verschwindet die Klimakrise nicht aus dem Olivenöl. Denn eine neue Bedrohung gewinnt an Bedeutung: Schädlinge. Oliven­fliege und Ölbaumblattfloh mögen die milderen Winter. Beschädigte Oliven aber verschlechtern den Geschmack des Öls, weil sofort Oxidationsprozesse einsetzen, erklärt Wettach.

Darüber hinaus beschleunigen höhere Temperaturen die Entwicklung der Pflanze: Blüht sie früher, kann ein Kälteeinbruch die Ernte zerstören. Sind die Oliven früher reif, kann es bei der Ernte noch zu warm sein – was die Qualität schmälert. Lassen die Land­wir­t:in­nen die Früchte dagegen länger am Baum, damit die Temperaturen bei der Ernte stimmen, sind sie länger Witterung und Schädlingen ausgesetzt.

Derweil versuchen sich erste Mutige daran, in Deutschland Oliven anzubauen. Große Erträge gibt es bislang nicht – aber zumindest kältere Winter als in Spanien. Noch.

Vanille

Der Zyklon „Enawo“ war es, der im März 2017 über Madagaskar fegte. Dutzende Menschen starben, aber international lag die Aufmerksamkeit vor allem bei den zerstörten Pflanzen im größten Vanille-Anbaugebiet der Welt. Knapp 80 Prozent der angebauten Vanille kommen von der Insel. Infolge der Zerstörungen stiegen die Preise auf Rekordniveau. Großhändler berichteten von bis zu 600 US-Dollar für ein Kilo Schoten, wenige Jahre zuvor waren die Preise noch zweistellig.

Hinzu kommt ein überhitzter Markt: Die Akzeptanz für künstlich hergestelltes Vanillearoma geht in Industrieländern zurück – trifft dann ein Zyklon das Hauptanbaugebiet, starten die großen Konzerne Hamsterkäufe, um genug Vanille für Eis, Kuchen, Softdrinks und Puddingpulver zu haben. Der jüngste schwere Zyklon, der die Anbaugebiete traf, ist nur ein gutes Jahr her. Dem Portal Bloomberg sagte Georges Gee­raerts, Präsident von ­Madagaskars Vanilleexportverband: „Es sind schlechte Zeiten für Vanille.“

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