Hitlers Hetzschrift in Italien: „Mein Kampf“ als Beilage
Der Samstagsausgabe der italienischen Tageszeitung „Il Giornale“ liegt eine Ausgabe von „Mein Kampf“ bei. Nicht nur Regierungschef Matteo Renzi übt Kritik.
Renzo Gattegna, Präsident der jüdischen Gemeinschaft Italiens, kritisierte die Aktion der Zeitung als „unanständig“. Es handele sich um eine „erschreckende Sache“ nach Jahren der eingehenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Völkermord an den Juden.
„Il Giornale“ rechtfertigte die Beilage mit der Meinungsbildung. „‚Mein Kampf‘ zu lesen ist das richtige Gegengift gegen die Giftstoffe des Nationalsozialismus“, erklärte die Zeitung, die für ihre konservative Haltung in Einwanderungsfragen bekannt ist. Bei der Beilage handelt es sich um eine Version von „Mein Kampf“ aus dem Jahr 1937 in einer von dem Historiker Francesco Perfetti kommentierten Ausgabe. In den kommenden Wochen will die Zeitung, die eine Auflage von 200.000 hat und dem Bruder von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi gehört, sieben weitere Bücher zur Geschichte des Dritten Reiches verkaufen.
Anfang Januar war in Deutschland erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine kritisch kommentierte Neuauflage von „Mein Kampf“ erschienen, nachdem Ende 2015 der Urheberschutz ausgelaufen war. In dreijähriger Arbeit hatte ein Forscherteam des Münchner Instituts für Zeitgeschichte die Hetzschrift Satz für Satz untersucht, mit den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft abgeglichen und mit umfangreichen Anmerkungen als argumentatives Gegengewicht versehen.
Der italienische Wissenschaftler Frediano Sessi bedauerte es im Sender Rainews24, dass „Il Giornale“ sich nicht an der neu kommentierten deutschen Ausgabe orientiert habe, in der „3500 kritische Fußnoten von der Länge her den Text des ‚Führers‘ übertreffen“.
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