Hitler-Werbung in Armenien: „Fantastisch“ geschmacklos
Eine Bäckerei wirbt mit einer Zeichnung des „Führers“ für eins ihrer Produkte. Nach Protesten in den Online-Netzwerken wird das Bild gelöscht.
BERLIN taz | Der Führer ist auferstanden – aber nur für zwei Wochen. Eine armenische Großbäckerei hatte die Idee, für eins ihrer Produkte mit Adolf Hitler zu werben. Mit einem Stück Gebäck in der Hand und einer Hakenkreuzbinde am Arm lädt er auf einem Bild dazu ein, die schmackhafte Teigware zu kosten. Auf Armenisch ist zu lesen: „Gata ist fantastisch“.
Wieso fantastisch? Gata ist einfach ein süßes Weizengebäck in Armenien. Es ist beliebt, sowohl im gesamten Kaukasus als auch in der Türkei. Es schmeckt etwa so wie eine Walnusswecke oder ein Franzbrötchen, nur ohne Nüsse und Zimt. Gata heißt auch die Konditorei in Armenien. Ihre Waren verkauft sie in etwa 500 Supermärkten – Kekse, Kuchen, Torten und natürlich Gata.
Was haben sich die kreativen Köpfe im Marketing nur gedacht, als sie die Werbung auf Facebook stellten? Offensichtlich war der Coup appetitanregend. Die Stammkunden likten die Aktion sofort. Einige verteilten Herzchen und Smileys. Wie kommt es, dass die Figur von Hitler in dieser Region solche positiven Reaktionen auslöst? Sind etwa alle Nazis, Rechtsradikale und Antisemiten?
Nein, hier liegen die Dinge nicht so einfach. Am 9. Mai feiert Armenien, bis 1991 Teil der Sowjetunion, immer noch den Sieg über das Deutsche Reich im „Großen Vaterländischen Krieg“. Seit mehreren Jahrzehnten machen sich ArmenierInnen, gemeinsam mit RussInnen, über Hitler und die Nazi-Deutschen lustig. Das ist auch Stoff für viele sowjetische Komödien.
Dumm und lächerlich
Russische FilmmacherInnen produzieren bis heute immer noch Filme und Animationen, SatirikerInnen machen Witze darüber, wie dumm und lächerlich die Nazis unter ihrem Diktator waren. Der Song „Schweine“ aus dem Jahr 2005 der russischen Band Glukoza gehörte lange zu den Top-Favoriten. Auf dem Musikvideo marschieren Schweine mit Waffen und in SS-Uniformen auf der Straße. Die Schweine quieken und beißen um sich. Dabei lutscht der Führer an seinem Nuckel.
Und diese Figur wirbt nun für Backwaren in Armenien. Glücklicherweise waren die meisten derer, die sich zu Wort meldeten, noch bei Verstand. Die Verantwortlichen für diese Initiative müssten bestraft werden, forderten Facebook-Nutzer. Einige riefen dazu auf, das gesamte Backsortiment von Gata zu boykottieren.
Manche schämten sich einfach nur, andere schimpften darüber. Mehrere Nutzer schrieben: „Wir, die ArmenierInnen, sind 1915 eines Völkermordes geworden. Darunter leiden wir bis heute. Wer, wenn nicht wir, sollte eine moralische Verpflichtung gegenüber den Opfern des Holocaustes haben?“
Ob die Bäckerei diesen Aufruf verstanden hat, ist nicht bekannt. Aber offensichtlich hatte sie doch etwas begriffen. Das Bild wurde mittlerweile überall gelöscht.