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Historisches DebakelCDU so verschmäht wie nie

Der größten Oppositionspartei ist es nicht gelungen, Angriffsflächen bei der SPD-Alleinregierung zu finden. Der Rückgriff auf klassische CDU-Themen war nicht von Erfolg gekrönt.

Wacker gekämpft, alles verloren: CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich. Bild: dpa

HAMBURG | Blankes Entsetzen und Niedergeschlagenheit gepaart mit ungläubigem Kopfschütteln beherrschte das Bild bei der CDU am Wahlabend. Mit 16 Prozent hat die Union ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis in Hamburg eingefahren. Selbst im Vergleich zur Bürgerschaftswahl 2011 nach dem schwarz-grünen Chaos, als sie noch auf 21,9 Prozent kam, hat sie noch einmal kräftig verloren.

„Eine herbe Niederlage und ein trauriges Ergebnis – wir haben unsere Wahlziele eindeutig nicht erreicht und unser engagierter Wahlkampf ist nicht belohnt worden“, sagte Dietrich Wersich. Für den Oppositionsführer, der einen tapferen aber aussichtslosen Wahlkampf führte, bedeutet die Wahlniederlage zumindest einen Karriereknick.

Als Fraktionschef und später als Spitzenkandidat war es dem 50-Jährigen nicht gelungen, seiner Partei, aber auch sich selbst Profil zu verschaffen. Weder gelang es, Angriffsflächen bei der SPD-Alleinregierung ausfindig zu machen, noch die versprochene Erneuerung, den Wandel von Hamburgs CDU zu einer modernen Großstadtpartei, sichtbar zu machen. Zuletzt setzte Wersich wieder auf traditionelle CDU-Themen wie Sicherheit und Ordnung, Autoverkehr und Wirtschaft.

Seinen eigenen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad konnte Wersich auch mit großflächigen Plakatkampagnen, in denen er im Mittelpunkt stand, nicht wesentlich erhöhen. Selbst jeder dritte CDU-Wähler wünschte sich eher Amtsinhaber Olaf Scholz denn Wersich als zukünftigen Bürgermeister.

Auch Wersichs verzweifelter Versuch, sich bei der SPD als Koalitionspartner anzudienen und der Partei so eine Existenzberechtigung zu schaffen, schlug fehl. Im Gegenteil: Seit dem Wahlkampfstart, seit Wersich öffentlich präsenter wurde, rauschten die Umfragewerte von Woche zu Woche tiefer in den Keller, von 23 Prozent im Dezember auf zuletzt 17 Prozent.

Hamburgs CDU steht damit vor einem Scherbenhaufen, ohne Idee, wie die Talfahrt zu stoppen ist. Wersichs einziger Trumpf beim bevorstehenden Großreinemachen ist, dass die personell schwach aufgestellte CDU kaum Alternativen zu Wahlverlierer Wersich hat.

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5 Kommentare

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  • In der Mitte kann die CDU nur gewinnen, wenn sie eine/n Spitzenkandidatin/en hat, mit dem man wie mit von Beust einen Personenwahlkampf führen kann. Inhaltlich ist die CDU dort immer nur unter ferner liefen. Wer (im eigentlichen Wortsinn) liberale Positionen der politischen Mitte vertreten sehen will, wählt in Hamburg traditionell die Sozialdemokraten. Oder er/sie akzentuiert und wählt grün oder FDP. Da kann die CDU schlicht nichts gewinnen.

     

    Mit einem Schritt nach rechts könnte es der CDU gelingen, ein paar Prozentpunkte zurückzuholen. Das ist derzeit zumindest eine Option, sich mit Blick auf 2020 zu konsolidieren.

     

    Doch vor allem hat die CDU in Hamburg ein schwerwiegendes Personalproblem: von einigen - über Parteigrenzen hinweg - geschätzten FachpolitikerInnen wie Heintze, Föcking oder de Vries hat sie nur sehr wenig zu bieten. Und alle drei Genannten gehören wegen des Landeslistendesasters nun aller Voraussicht nach nicht mehr der CDU-Fraktion in der neuen Bürgerschaft an.

     

    Einer 20-köpfigen Fraktion übrigens, die nur drei Frauen zählt.

  • Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 50 % gibt es keine Sieger.

  • So etwas passiert schon mal, wenn die Wähler erkannt haben, daß sie diverse Mißstände nicht dem Teufel zu verdanken hat, sondern einer Partei, deren Tarnmantel löchrig geworden ist und nicht mehr dafür taugt, sich als Engel des Lichts zu maskieren.

  • Naja, CDU -6% und AfD +6%.

    Also, lieber Merkler, einen eleganten Sidestep nach Rechts (der Optik wegen mit Drehung) und Ihr habt Eure Leute wieder.

    So einfach kann Opportunismuspolitik sein.

    Dann wird das allerdings mit der Energiewende nichts.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    frei nach Bruno Moravetz: "Wo bleibt Merkel?"