Historische Funde bei Arkadensanierung: Schätze auf 125 Metern
Bluthostien, Musketenkugeln, Kaufmanns-Griffel: Unter dem Bremer Tiefer hat sich ein vielfältiges Sortiment historischer Artefakte erhalten.
Nun, im Zuge der Arkadensanierung, kommt das alles wieder ans Tageslicht. Die Fundsituation an den Weserarkaden sei mit mehreren Tausend Stück außerordentlich reichhaltig, sagt Dieter Bischop von der Landesarchäologie. Er wirkt geradezu beglückt, zumal er mit dieser Grabegelegenheit gar nicht gerechnet hatte: Erst im Lauf der Arkadensanierung stellte sich heraus, dass tief ausgeschachtet werden muss, um die Standfestigkeit der stadtseitig gelegenen Sandsteinmauer wieder herzustellen.
Seither liegt für Bischop und seine Leute ein attraktives archäologisches Menü auf dem Pflaster: der Aushub aus drei Metern Tiefe und 125 Metern Länge, direkt vom jahrhundertelangen Bremer Handels-Hotspot, der oberen Schlachte (heute Tiefer). Ein archäologischer Festschmaus.
Denn was ist ergiebiger als eine hochfrequentierte Anlegestelle, an der im Lauf der Jahrhunderte alle kleinen Ausrutscher, Unachtsamkeiten und sonstige logistische Missgeschicke zu einer Ablagerungsdichte führen, wie man sie sonst nur aus mittelalterlichen Hauskloaken kennt? Um diese Fundsituation zu verstehen, muss man wissen, dass die Arkaden erst 1913 der historischen Kaimauer vorgesetzt wurden. Sie überwölben die frühere Uferkante und beherbergen daher in ihren Tiefen alles Heruntergefallene – oder absichtlich Hineingeworfene.
Unmenge an Schweine- und Pferdekiefern
Zum Beispiel Siegburger Keramikscherben, zum Beispiel Knochen. Eine Unmenge an Schweine- und Pferdekiefern wurde in den Fluss geworfen, Abfallentsorgung und Uferbefestigung in einem. Zur Kategorie Hineingefallen gehört der Griffel, den die Ausgräber:innen gerade gefunden haben: Mit ihm ritzten die Kaufleute ihre Rechnungen in die Wachstafeln.
Daneben der Zapfhahn für ein Bier- oder Weinfass, die beliebtesten historischen Handelsgüter der Stadt. Mit 26 Silbermünzen kam sogar ein kleiner Schatz zusammen: „Für Bremer Verhältnisse ist das ziemlich viel“, sagt Bischop. Einige Münzen aus dem 13. Jahrhundert stammen aus französischen Städten. Sie dokumentieren entsprechende Handelsbeziehungen, „von denen wir bislang gar nicht wussten“, sagt Bischop.
Besonders gut erhalten ist die Tonfigur eines Mönches, vermutlich Teil eines Bierhumpens. Er hat derart eindrucksvolle Ohren, dass sich damit manch christdemokratischer Wahlkampf bestreiten ließe.
Ein gewagter, aber genealogisch einwandfrei nachweisbarer Bogen lässt sich auch von der eingangs erwähnten Bluthostie in die Gegenwart schlagen: Sie stammt aus dem Brandenburgischen Wilsnack, das 1383 von besonders rücksichtslosen Raubrittern gebrandschatzt wurde – direkte Vorfahren des eng mit Bremen verbundenen Loriot. Die aus den noch rauchenden Kirchenruinen geretteten Hostien bluteten der Legende nach und erwiesen sich als entsprechend wundertätig, was in den folgenden Jahrzehnten hunderttausende Pilger anzog. Im Ergebnis eine unbeabsichtigte Wirtschaftsförderung, die sich bis nach Bremen auswirkte.
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