Hisbollah-Ausstieg aus der libanesischen Regierung: Im schlimmsten Fall wieder Bürgerkrieg
Nach dem Rücktritt der Minister der Hisbollah-Allianz ist völlig offen, was jetzt im Lande geschieht. Im schlimmsten Fall wird es bald wieder zu bürgerkriegsähnlichen Szenen kommen.
KAIRO taz | Die libanesische Regierung zu Fall zu bringen, war ein Fall weniger Stunden, eine neue zu bilden, kommt einer monumentalen Aufgabe gleich. Der libanesische Präsident Michel Sulaiman hat am Donnerstag den Rücktritt von elf Ministern der Hisbollah-Allianz angenommen und damit das Ende der seit November 2009 gebildeten Regierung der Nationalen Einheit offiziell besiegelt. Den bisherigen Premier Saad Hariri forderte Suleiman auf, kommissarisch im Amt zu bleiben, bis eine neue Regierung gebildet wird.
Am Mittwoch hatten zehn von der Hisbollah und ihren Verbündeten gestellten Minister ihren Rücktritt erklärt und damit das 30-köpfige Kabinett gestürzt. Die Hisbollah selbst hatte nur zwei Minister im Amt. Zurückgetreten waren auch acht Minister der schiitischen Amal-Bewegung und des maronitischen Generals Michel Aoun. Als Elfter reichte am Abend noch ein unabhängiger Minister seinen Rücktritt ein.
Hintergrund des Zusammenbruchs der libanesischen Regierung ist ein Streit über den Umgang mit dem von den UN geschaffenen Libanon-Tribunals, das den Mord an dem libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri vor fast sechs Jahren untersuchen soll. Die Hisbollah-Allianz forderte, dass die Regierung in Beirut die Zusammenarbeit mit dem Tribunal einstellt, nachdem sich in Medienberichte häuften, dass die UN-Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen sein soll, dass die Hisbollah in dem Anschlag auf Hariri verwickelt gewesen sein soll. Angeblich sollen die Ermittler im Zusammenhang mit dem Anschlag Handyanrufe mit dem Hisbollah-Kommunikationszentrum in Verbindung gebracht haben. Das offizielle Ergebnis steht noch aus.
Die Hisbollah streitet jegliche Verbindung zu dem Mord an Hariri vehement ab. Hisbollah Generalsekretär Hassan Nasrallah bezeichnete die Ermittlung als "israelisches Projekt" und warnte vor den Konsequenzen, falls Mitglieder der Hisbollah auf der Anklagebank landen.
Rückendeckung erhielt Saad Hariri erwartungsgemäß aus Washington, wo er sich zum Zeitpunkt der Ministerrücktritte zu einem Treffen mit Barack Obama befand. "Hisbollah handelt aus Angst", hieß es aus dem Weißen Haus, das Hariri aufforderte hartnäckig zu bleiben. US-Außenministerin Hillary Clinton griff bei einem Besuch in Katar die Hisbollah und ihre iranischen und syrischen Verbündeten an: "In meinen Augen ist das Ganze ein durchsichtiger Versuch bestimmter Kräfte im Libanon und bestimmter Interessen außerhalb des Libanon, keine Gerechtigkeit walten zu lassen und Libanons Stabilität zu unterwandern", erklärte sie.
Völlig unklar ist, wie es jetzt im Libanon weitergeht. Nach der Wahl im Jahr 2009 hatte es fünf Monate gedauert, bis die neue Regierung stand. Manche rechnen damit, dass das UN-Tribunal noch diesen Monat seine Anklage veröffentlichen könnte. Das ist der Zeitpunkt, an dem viele fürchten, dass sich der Streit über den Hariri-Mord von der Politik auf die Straße verlagern könnte, ähnlich wie 2008, als es bei Kämpfen in Beirut 81 Tote gegeben hatte.
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