■ Hinterbank: „Plichten und Eyde“ eines Justizsenators
Viele Menschen haben ein Hobby: Die einen spießen tote Fliegen auf, andere horten Tausende von Kronkorken. Auch Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) ist so einer, der sich mit einem exklusiven Hobby vom harten Tagwerk im Senat entspannt: Er gibt mittelalterliche Handschriften heraus. Doch während herkömmliche Hobbyfreaks ihre Obsessionen der Welt auf zwielichtigen Hobbymessen mitteilen, hat Körting einen großen Vorteil: nämlich eine Pressestelle.
Diese nun, mit Steuergeld finanziert, um die Medien über die neuesten Entwicklungen im Justizapparat zu unterrichten, verschickte als „Pressemitteilung 2/1998“ in dieser Woche eine Sensation: „Historische Nachricht von den Stallern in Eyderstedt, Everschop und Utholm“. Der „bisher unveröffentlichte Bericht des Theologen und Historiographen Petrus Petrujus (1695-1745)“ wurde vom Justizsenator ins Leserliche übertragen und als hundertseitiges Bändchen in der Schriftenreihe des Nordfriisk Instituut in Bräist/Bredstedt herausgegeben.
Unter dem Briefkopf „Senatsverwaltung für Justiz" zeigt Dr. Schröder, daß ihre eigentliche Berufung nicht in der Diskussion verwickelter Rechtsfälle und von Unzulänglichkeiten im Strafvollzug liegt: An der Frau ist eine veritable Verlagslektorin und Klappentextschreiberin verlorengegangen. Die Presseerklärung zitiert den Justizsenator in seiner Eigenschaft als Justizsenator über ein Buch des Justizsenators: Die Berichte aus vergangener Zeit vermittelten, daß „manche Sorge der Bürger um die Vereinnahmung durch zentralisierte staatliche Gewalt mitnichten eine Entscheidung der Gegenwart ist“, sondern seit einem halben Jahrtausend zu beobachten sei.
Wer in solchen Zeiträumen denkt, hat natürlich mitnichten die Muße, sich über profane Dinge Gedanken zu machen: wie etwa über die Trennung eines öffentlichen Amtes von den privaten Hobbyinteressen eines Senators. Ein Staller nämlich, läßt uns die umfangreiche Pressemeldung wissen, war für die Menschen im finsteren Mittelalter in einem gottverlassenen Winkel Norddeutschlands einer, „der von unserent wegen die Verwaltung im Lande haben und sich uns mit Eyden und Plichten verwandt machen soll“. Von den Pflichten und Eiden derjenigen, die die Verwaltung ausüben, ist da nicht die Rede. Vielleicht schreibt Ehrhart Körting darüber ja sein nächstes Buch. Bernhard Pötter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen