■ Hinterbank: Diepgens Rückzieher
Jubiläen sind eigentlich ein klassisches Betätigungsfeld für Regierende Bürgermeister. Doch in der Festschrift zum 20. Jubiläum des Christopher Street Days wollte Eberhard Diepgen aus unerfindlichen Gründen nicht auftauchen. Zum höchsten Feiertag der lesbischen und schwulen Gemeinde wollte er dem schwullesbischen Stadtmagazin Siegessäule für die Festausgabe kein Interview geben.
Dabei wollte die Redaktion nur wissen, warum Lesben und Schwule CDU wählen sollten? Oder ob sich Diepgen auch als Bürgermeister der Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen versteht? Außerdem sollte Diepgen Flagge zeigen: „Werden Sie sich zum Jubiläum dafür einsetzen, daß am 27. Juni alle Berliner Rathäuser mit der Regenbogenfahne beflaggt werden?“
Die Antworten, die ein Referent Diepgens schon zu Papier gebracht hatte, bedurften nur noch der Autorisierung, erfuhr das Magazin. Doch dann wurde das Interview plötzlich zurückgezogen. Diepgens persönlicher Referent erklärte gegenüber der Siegessäule, das Umfeld des Magazins sei nichts, wo der Regierende Bürgermeister unbedingt erscheinen müsse. Dabei hätte sich Diepgen in bester Gesellschaft befunden – selbst der Fraktionschef der CDU, Klaus- Rüdiger Landowsky, und SPD- Fraktionschef Klaus Böger hatten den „Homo-Check-Fragebogen“ des Magazins ausgefüllt.
Lebemann Landowsky wünschte dem CSD einen „wie immer einen fröhlichen Verlauf“, ging das Thema aber sonst mit der Diskretion eines Bankangestellten an: „Haben Sie bitte Verständnis für meine Haltung, daß die sexuelle Orientierung eines Menschen kein Gegenstand eines öffentlichen Diskurses sein muß, schon gar nicht gegen den Willen des Betreffenden.“
SPD-Fraktionschef Klaus Böger, der einräumte, noch nie an einer Christopher-Street-Parade teilgenommen zu haben, zeigte Erinnerungslücken, die weiten Interpretationsspielraum lassen. Auf die Frage nach seinem „bisher intensivsten, im weitesten Sinne homosexuellen Erlebnis“, antwortete Böger: „Daran kann ich mich nicht erinnern.“ Da zog sich der PDS- Fraktionsvorsitzende Harald Wolf raffinierter aus der Affäre. Er bedauerte: „Da muß ich leider passen.“ Dorothee Winden
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