: Hingeschlagen
Tausend Tränen und ein Augenzwinkern: Der DJ und House-Produzent Steve Bug macht eine neue Platte
Vom Cover seiner aktuellen Platte „The other day“ blickt Steve Bug herab wie ein kummerfreier Ulf Poschardt. Mit Dreitagebart, weißem Hemd und schwarzem Anzug. Gutaussehend, blasiert, ein wenig gelangweilt von der eigenen Coolness. Doch bei der abgebildeten Person handelt es sich ausschließlich um die Popfigur Steve Bug, um den DJ und House-Produzenten, der nichts gegen eine leicht snobistisch wirkende Hipster-Ikonografie einzuwenden hat.
Der Mensch, der sich zum Interview in einem wenig hippen Café in Mitte eingefunden hat, macht dagegen keinerlei Anstalten, irgendetwas SZ-Magazin-Chef-mäßiges herauszukehren. Steve Bug wirkt eher zurückhaltend, fast schüchtern. Mit der U-Bahn ist er gekommen, hatte sogar kurz überlegt, mal wieder sein BMX-Fahrrad als City-Cruiser auszumotten. „Aber irgendwie war mir das dann doch zu peinlich. Früher bin ich richtig gut gefahren. Viel auf der Halfpipe und so. Als ich dann nach einer längeren Pause mal wieder ganz normal auf dem Hinterrad gefahren bin, hat es mich voll hingeschlagen. Auf noch mal so eine Aktion habe ich echt keine Lust.“
Die ganze Masche mit dem Image eines zu teure Anzüge tragenden, Cocktails schlürfenden und Zigarren rauchenden House-Stenz hat sich Steve Bug zugelegt, um den DJ-Lifestyle und Subkultur-Jet-Set zu überhöhen. So wie Kollege DJ Hell aus München, der ja auch gern auf Dressman und Gigolo macht und trotzdem dabei viel mit den Augen zwinkert. Gerade in der House-Szene besteht nicht wenig Bedarf, den allgegenwärtigen Party-Hedonismus (Kokain schnupfen, Designerklamotten spazieren tragen, Sex auf der Toilette) durch Affirmation zu konterkarieren.
So ist Steve Bug auch unter den Projektnamen Superlova und The Discowboys zu finden, so heißt eines seiner beiden derzeitigen Labels „Dessous“ und der ganz große Hit von ihm aus der letzten Zeit „Loverboy“. Klar, dass er nach dem Auflegen mit ein paar Groupies regelmäßig noch eine Runde mit dem Jaguar um den Block dreht.
Mit „Loverboy“ konnte er einen außergewöhnlichen Crossover-Effekt für sich verbuchen. Der Hamburger DJ Koze, bekannt für seine nie langweiligen DJ-Sets, ließ Blumfelds „Tausend Tränen tief“ in den Clubs zu schnell ablaufen und mischte einfach „Loverboy“ dazu. „Irgendwann bin ich dann von Blumfeld kontaktiert worden. Die erzählten mir, dass sie die Koze-Version ihres Songs in einem Club gehört hätten und daraus gern eine Single machen würden. Ich war zuerst skeptisch. Ich mag es nicht, einfach zwei Platten ineinander zu mischen. Doch als ich es dann gehört habe, fand ich es super“, so Steve Bug. Der „Remix“ wurde ein großer Clubhit, und plötzlich interessierte sich eine ganz neue Klientel dafür, wer denn hier die elegant gebrutzelten House-Beats zu dem ungewöhnlichen Party-Smasher geliefert hat.
Was seine Sounds anbetrifft, ist Eleganz aber auch ohne ironische Überhöhung ein Markenzeichen von Steve Bug. Bei ihm gibt es keine Effekthaschereien und unnötige Sample-Mätzchen. Sein dezenter Minimal House lebt vielmehr von der Reduktion. Lieber einen Schlenker zu wenig als eine Disko-Bassline zu viel.
Seit einigen Jahren verfeinert er nun schon seine Tracks zwischen Deep und Minimal House. Immer wieder hat er dabei Labels gegründet, um sie auf dem Höhepunkt des Erfolgs wieder einzustellen. Was stets für Verwunderung gesorgt hat. Aber so ist das eben mit dem Schlussmachen, wenn es am schönsten ist. Poker Flat, seine neu designte Release-Plattform, hat er erst kurz vor seinem Umzug von Hamburg nach Berlin, vor eineinhalb Jahren, an den Start gebracht. Der Erfolg ist aber jetzt schon riesig. Wahrscheinlich hat Steve Bug auch Poker Flat schon wieder auf die Abschussliste gesetzt.
ANDREAS HARTMAN
Steve Bug – The Other Day – [Poker Flat/EFA]
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