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Hilfslehrer sollen legalisiert werdenJuristen machen Schule

Schulsenator Ties Rabe hält trotz Kritik am Einsatz von Honorarkräften fest. Eine Fachkanzlei soll klären, wie der Nachhilfeunterricht organisiert werden muss.

Können laut Senator als Honorarkräfte an Schulen arbeiten: Clowns. Bild: dpa

Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat eine private Fachkanzlei eingeschaltet, die helfen soll, den Einsatz von Honorarkräften für Nachhilfe an Schulen juristisch wasserdicht zu machen. Sie soll einen Mustervertrag entwickeln und ein Merkblatt, aus dem hervorgeht, "wie Lernförderung organisiert werden kann, damit sie über Honorarkräfte laufen kann", sagte Rabe am Freitagnachmittag vor dem Schulausschuss. Sein Behörden-Jurist Andreas Gleim ergänzte, schon heute gebe es "große Rechtssicherheit", dass der Einsatz von Freiberuflern hier möglich sei.

Erstmals seit Amtsantritt wird es für Rabe etwas eng. Sollte sein Plan, die Ausweitung der Lernförderung an Schulen durch Honorarkräfte zu betreiben, nicht rechtens sein? Diese Frage steht im Raum, seit die Deutsche Rentenversicherung 2.500 Altverträge für den Einsatz von Honorarkräften an Ganztagsschulen rückwirkend für 2006 bis 2010 überprüft. Der Schulleiterverband riet daraufhin seinen Kollegen, vorerst keine neuen Verträge abzuschließen, da möglicherweise für diese quasi Angestellten rückwirkend Beiträge zu erstatten wären.

Honorarkräfte werden seit Jahren an Ganztagsschulen eingesetzt. Doch Rabe setzt sowohl in der schulischen Lernförderung als auch bei den Grundschulen ebenfalls verstärkt auf diese Kräfte, die sich wie Selbstständige versichern müssen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) geht davon aus, dass die Ausweitung rechtswidrig ist. "Wir rufen unsere Personalräte dazu auf, Honorarkräfte der Rentenkasse zu melden", sagt GEW-Chef Klaus Bullan.

Der Streit hat auch eine pädagogische Ebene. Hamburg will das Sitzenbleiben abschaffen und die Schüler stattdessen stärker fördern. Dieses Prinzip finden fast alle richtig. Doch Schwarz-Grün hatte es nur in zwei Jahrgängen eingeführt und dafür die Lehrerstunden eingesetzt, die durch die Reduzierung von Sitzenbleibern später frei werden. Zu wenig, fand Rabe, und legte im Mai ein größeres Programm nach, das in allen Jahrgängen von Klasse 1 bis 13 vom Sitzenbleiben bedrohten Kindern helfen soll. Neben Lehrern können dies nun auch Studenten, Schüler, Eltern und Pensionäre für ein Honorar von 15,97 Euro pro Schulstunde tun.

Das ist laut GEW-Chef Bullan nicht korrekt. "Die Lernförderung muss im Rahmen des normalen Schulalltages stattfinden", sagt er. Auch arbeitsrechtlich sei der Rabe-Plan kritisch. So geht das Nachbarland Niedersachsen, wo es Prozesse dazu gab, heute in einer Handreichung davon aus, dass für Fördermaßnahmen richtige Arbeitsverträge nötig seien. Denn freie Dienstleister dürfen nicht an Weisungen gebunden sein. Es können beispielsweise Künstler sein, die besondere Angebote machen. Wird ihnen aber gesagt, was sie zu tun haben, gelten sie als abhängig Beschäftigte.

Doch genau das sei nicht zu umgehen. "Wie wollen Sie sicherstellen, dass Nachhilfekräfte pädagogisch sinnvoll arbeiten?", fragte die Abgeordnete Anna von Treuenfels. Worauf Rabe entgegnete, wenn sich Eltern Nachhilfe auf dem freien Markt suchten, sichere niemand die Qualität.

Zudem sei die Lage in Niedersachsen anders gewesen. Jurist Gleim zitierte ein Urteil des hiesigen Verwaltungsgerichts von 2001, wonach Nachhilfe von Freiberuflern erlaubt sei. Auch wenn diesen Zeit und Inhalt vorgegeben würden, sei "keine rechtliche Einbindung in einen Betrieb" gegeben. Was der Ausschussvorsitzende Walter Scheuerl (CDU) mit "Ihr Wort in Gottes Ohr" kommentierte.

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4 Kommentare

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  • U
    Ulrich

    Der Einwand, dass eine Qualitätskontrolle nicht gegeben sei, sobald selbstständig tätige Honorarkräfte eine Bildungsdienstleistung verrichten, ist angesichts der verbreiteten und vollständig realitätsfremden Annahme, dass Staatsdiener automatisch für Qualität bürgten (als ob ein heiliger staatlicher Geist für wahrhaftige Bildung erforderlich wäre), nicht verwunderlich, aber eben weiterhin Unfug. Es gibt schlechte Lehrkräfte im Staatsdienst wie auch unter privaten Anbietern, bei letzteren allerdings meist im Billigsegment.

     

    Nur: der schlechte Lehrer im Staatsdienst behält meist seinen Job und verrichtet weiterhin mäßigen Dienst, die schlecht arbeitende Honorarkraft erhält wahrscheinlich keine weiteren Aufträge, denn kein kundenorientiert arbeitendes Unternehmen kann sich unfähige Mitarbeiter leisten - außer eben im Billigsegment, wo nicht die Qualität, sondern ausschließlich der Preis zählt.

     

    Eine private Nachhilfeeinrichtung oberhalb des Billigsegments kann also überhaupt nur überleben, sofern sie die Kunden erfolgreich ins Ziel führt und sich damit einen guten Namen erarbeitet, denn sonst bleiben die Kunden weg. Was daran keine Qualitätskontrolle sein soll, bleibt mir verschlossen.

     

    Der klassische Lehrer in der Noten gebenden Schule kann hingegen sagen, der Schüler hat es halt nicht geschafft, zu dumm! Lehrer verstrahlt Wissen, Schüler nimmt nicht genug auf, Ende.

     

    Ein Honorar von EUR 15,97 pro Unterrichtsstunde [Vor- und Nachbereitung und Anfahrt sind zu berücksichtigen] für Selbstständige, die hohe Kosten für ihre Absicherung gegen Krankheit und Ausfallzeiten bei Arbeitsunfähigkeit sowie die Altersversorgung komplett aus eigener Tasche zu finanzieren haben, heißt nun allerdings: Billiglohn.

     

    Bei einer Arbeitswoche von 45+ Zeitstunden [aus illusorischen 8 UStd/Tag (=6 Std) & Vor-/Nachbereitung, Fahrerei, Akquise neuer Projekte, Verwaltung, Weiterbildung] ergibt sich bei 46 Wochen im Jahr (6 Wochen für Urlaub und Krankheit) ein Brutto-Jahreseinkommen von etwa 29,5 TSD Euro. Wer mag, kann sich die Mühe machen, davon 19,5 % allein für die Rente sowie die Beträge für Krankenversicherung und aufzubringende Rücklagen für Krankheit, Arbeitsunfähigkeit und auftragsarme Zeiten sowie die Steuer abzuziehen.

     

    Aus völlig anderen Gründen als dem stumpf staatsdienerhaften Misstrauen gegenüber Honorarkräften lässt sich an der Qualität des Unterrichts jener freien Lehrkräfte, die für 15,97 Euro/UStd. arbeiten, zweifeln: Sie werden keinen Anreiz (außer persönlichem Idealismus, den man bei einem Arbeitsverhältnis nicht voraussetzen sollte) haben, ihre Sache besonders gut zu machen. Wenn Ties Rabe auf Idealismus setzt, sei er eingeladen, seinen persönlichen Stundensatz auf 15,97 Euro zu reduzieren. Vielleicht würde sogar ein kompletter Billigsenat, der zu diesem Tarif auf Honorarbasis arbeitet, von den Hamburgern begrüßt.

     

    Der Wunsch nach verbesserter Betreuung von Schülern, sei es durch Nachmittagsunterricht oder durch Fördermaßnahmen wie Nachhilfe, ist unbedingt zustimmungsfähig, allerdings in der Durchführung nicht billig. Es wäre hilfreich gewesen, zunächst die dem Marktpreis der Dienstleistung (bei Einhaltung der erforderlichen Qualitätsstandards) entsprechenden Kosten zu ermitteln und für die Finanzierung zu sorgen. Anschließend hätte man ganz einfach die Projekte ausschreiben können.

     

    Der gegenwärtige Eindruck ist hingegen, dass vollmundig gegebene Versprechungen von kostenlosen Wundertaten nun durch Billiglohn umgesetzt werden sollen. Dass außerdem nebenbei die privaten Nachhilfeschulen durch die steuerfinanzierten (und nicht kostenlosen!) Propagandamaßnahmen der SPD schwer unter Druck geraten, mag auch noch erwähnenswert sein.

  • TA
    Tutnichtszurs Ache

    Neben der rechtlichen Frage stellt sich doch auch die Frage nach dem Sinn. Ich bin Klassenlehrer einer 4. Klasse. Durch den in der Schulzeit stattfindenden Nachhilfeunterricht fehlen diese Kinder nun zu zwei der 6 Stunden Deutschunterricht.

     

    Ich kenne den Lernstand der Kinder und kann sie in meinem Unterricht individualisiert fördern. Selbst wenn der Nachhilfelehrer trotz schlechterer Ausbildung und fehlender Vertrautheit mit dem Kind dies auch könnte, stellt sich doch die Frage, ob für das Kind ein Mehrwert entsteht, wenn der Nachhilfeunterricht durch das Fernbleiben vom Deutschuntwerricht erkauft wird.

     

    Theaoretisch könnten die Schulen natürlich die Nachhilfe auch zu anderen Zeiten organisieren. In der Realität ist dies aber schwierig zu gewährleisten, weil der Nachhilfeanbieter ja mit mehreren Schulen zugleich zusammenarbeitet und auf die Zeitwünsche mehrerer Klassen zugleich Rücksicht nehmen muss.

     

    Außerdem kommt noch hinzu, dass von mir erwartet wird, dass ich dem Nachhilfelehrer Materialien, Diagnosen etc. zur Förderung zur Verfügung stelle. So entsteht mir auch noch zusätzlicher Arbeitsaufwand, durch den wiederum mein Zeitkontingent für den eigenen Unterricht kleiner wird.

  • U
    Ulrich

    Der Einwand, dass eine Qualitätskontrolle nicht gegeben sei, sobald selbstständig tätige Honorarkräfte eine Bildungsdienstleistung verrichten, ist angesichts der verbreiteten und vollständig realitätsfremden Annahme, dass Staatsdiener automatisch für Qualität bürgten (als ob ein heiliger staatlicher Geist für wahrhaftige Bildung erforderlich wäre), nicht verwunderlich, aber eben weiterhin Unfug. Es gibt schlechte Lehrkräfte im Staatsdienst wie auch unter privaten Anbietern, bei letzteren allerdings meist im Billigsegment.

     

    Nur: der schlechte Lehrer im Staatsdienst behält meist seinen Job und verrichtet weiterhin mäßigen Dienst, die schlecht arbeitende Honorarkraft erhält wahrscheinlich keine weiteren Aufträge, denn kein kundenorientiert arbeitendes Unternehmen kann sich unfähige Mitarbeiter leisten - außer eben im Billigsegment, wo nicht die Qualität, sondern ausschließlich der Preis zählt.

     

    Eine private Nachhilfeeinrichtung oberhalb des Billigsegments kann also überhaupt nur überleben, sofern sie die Kunden erfolgreich ins Ziel führt und sich damit einen guten Namen erarbeitet, denn sonst bleiben die Kunden weg. Was daran keine Qualitätskontrolle sein soll, bleibt mir verschlossen.

     

    Der klassische Lehrer in der Noten gebenden Schule kann hingegen sagen, der Schüler hat es halt nicht geschafft, zu dumm! Lehrer verstrahlt Wissen, Schüler nimmt nicht genug auf, Ende.

     

    Ein Honorar von EUR 15,97 pro Unterrichtsstunde [Vor- und Nachbereitung und Anfahrt sind zu berücksichtigen] für Selbstständige, die hohe Kosten für ihre Absicherung gegen Krankheit und Ausfallzeiten bei Arbeitsunfähigkeit sowie die Altersversorgung komplett aus eigener Tasche zu finanzieren haben, heißt nun allerdings: Billiglohn.

     

    Bei einer Arbeitswoche von 45+ Zeitstunden [aus illusorischen 8 UStd/Tag (=6 Std) & Vor-/Nachbereitung, Fahrerei, Akquise neuer Projekte, Verwaltung, Weiterbildung] ergibt sich bei 46 Wochen im Jahr (6 Wochen für Urlaub und Krankheit) ein Brutto-Jahreseinkommen von etwa 29,5 TSD Euro. Wer mag, kann sich die Mühe machen, davon 19,5 % allein für die Rente sowie die Beträge für Krankenversicherung und aufzubringende Rücklagen für Krankheit, Arbeitsunfähigkeit und auftragsarme Zeiten sowie die Steuer abzuziehen.

     

    Aus völlig anderen Gründen als dem stumpf staatsdienerhaften Misstrauen gegenüber Honorarkräften lässt sich an der Qualität des Unterrichts jener freien Lehrkräfte, die für 15,97 Euro/UStd. arbeiten, zweifeln: Sie werden keinen Anreiz (außer persönlichem Idealismus, den man bei einem Arbeitsverhältnis nicht voraussetzen sollte) haben, ihre Sache besonders gut zu machen. Wenn Ties Rabe auf Idealismus setzt, sei er eingeladen, seinen persönlichen Stundensatz auf 15,97 Euro zu reduzieren. Vielleicht würde sogar ein kompletter Billigsenat, der zu diesem Tarif auf Honorarbasis arbeitet, von den Hamburgern begrüßt.

     

    Der Wunsch nach verbesserter Betreuung von Schülern, sei es durch Nachmittagsunterricht oder durch Fördermaßnahmen wie Nachhilfe, ist unbedingt zustimmungsfähig, allerdings in der Durchführung nicht billig. Es wäre hilfreich gewesen, zunächst die dem Marktpreis der Dienstleistung (bei Einhaltung der erforderlichen Qualitätsstandards) entsprechenden Kosten zu ermitteln und für die Finanzierung zu sorgen. Anschließend hätte man ganz einfach die Projekte ausschreiben können.

     

    Der gegenwärtige Eindruck ist hingegen, dass vollmundig gegebene Versprechungen von kostenlosen Wundertaten nun durch Billiglohn umgesetzt werden sollen. Dass außerdem nebenbei die privaten Nachhilfeschulen durch die steuerfinanzierten (und nicht kostenlosen!) Propagandamaßnahmen der SPD schwer unter Druck geraten, mag auch noch erwähnenswert sein.

  • TA
    Tutnichtszurs Ache

    Neben der rechtlichen Frage stellt sich doch auch die Frage nach dem Sinn. Ich bin Klassenlehrer einer 4. Klasse. Durch den in der Schulzeit stattfindenden Nachhilfeunterricht fehlen diese Kinder nun zu zwei der 6 Stunden Deutschunterricht.

     

    Ich kenne den Lernstand der Kinder und kann sie in meinem Unterricht individualisiert fördern. Selbst wenn der Nachhilfelehrer trotz schlechterer Ausbildung und fehlender Vertrautheit mit dem Kind dies auch könnte, stellt sich doch die Frage, ob für das Kind ein Mehrwert entsteht, wenn der Nachhilfeunterricht durch das Fernbleiben vom Deutschuntwerricht erkauft wird.

     

    Theaoretisch könnten die Schulen natürlich die Nachhilfe auch zu anderen Zeiten organisieren. In der Realität ist dies aber schwierig zu gewährleisten, weil der Nachhilfeanbieter ja mit mehreren Schulen zugleich zusammenarbeitet und auf die Zeitwünsche mehrerer Klassen zugleich Rücksicht nehmen muss.

     

    Außerdem kommt noch hinzu, dass von mir erwartet wird, dass ich dem Nachhilfelehrer Materialien, Diagnosen etc. zur Förderung zur Verfügung stelle. So entsteht mir auch noch zusätzlicher Arbeitsaufwand, durch den wiederum mein Zeitkontingent für den eigenen Unterricht kleiner wird.