Hilfe von Sprachmittlern: Auf die Vermittlung kommt es an
Viele Kinder an der Neuköllner Hans-Fallada-Schule können anfangs kaum Deutsch, gerade aus Roma-Familien. Sprachmittler helfen ihnen bei der Integration.
Serkan hat offenbar kein Problem mit fremden Erwachsenen im Klassenzimmer, Film- und Fotokameras. Selbstbewusst und ohne zu stocken erläutert der Fünftklässler den BesucherInnen die multiethnische Zusammensetzung seiner Gruppe: Fünf türkei-, fünf arabischstämmige Kinder, drei albanischer Herkunft, drei rumänischer, zwei russischer, eins mit thailändischen, eins mit dänischen Wurzeln drücken mit Serkan die Bänke in der Hans-Fallada-Schule. Die kombinierte Neuköllner Grund- und Förderschule an der Bezirksgrenze zu Treptow hat bereits seit Jahren einen hohen Anteil von Kindern nichtdeutscher Herkunft in der Schülerschaft – und offenbar gelernt, damit umzugehen.
Sandra Scheeres (SPD), seit fünf Monaten Bildungssenatorin und am Dienstag im Rahmen ihrer Antritts-Schultour zu Besuch, hört jedenfalls sichtlich gerne, wenn Schulleiter Carsten Paeprer erläutert, wie an der Schule das Modell des jahrgangsübergreifenden Lernens (JÜL) erfolgreich umgesetzt wird, bei dem Kinder der ersten zwei oder drei Schulklassen gemeinsam unterrichtet werden. Viele Grundschulen lieben das von der Verwaltung propagierte JÜL nicht.
Soziales Lernen, gemeinsames Lernen von Kindern verschiedener Begabungen – dass die Fallada-Schule damit Erfahrung hat, kommt ihr in den letzten eineinhalb Jahren besonders zugute. 90 neue SchülerInnen hat sie in diesem Zeitraum aufgenommen, die kein Deutsch sprachen und teils auch dann, wenn sie über das Erstklässleralter längst hinaus sind, noch nie eine Schule besucht haben. Viele der Roma-Familien, die seit dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur EU nach Deutschland übersiedeln, haben sich in Neukölln niedergelassen. Dass sie ihre Kinder an die Schulen bringen, wird im Bezirk und in der Stadt begrüßt. Die Schulen stellt es vor besondere Aufgaben.
1.400 Kinder ohne Deutschkenntnisse sind mit Beginn des laufenden Schuljahres an Berlins Schulen gekommen. Nicht alle davon sind Roma – auch Flüchtlingskinder oder Kinder länger ansässiger Einwanderer, die nicht zur Kita geschickt wurden, gehören dazu. Dass Kinder aus Roma-Familien dennoch einen großen Teil der Gruppe bilden, lässt sich nur vermuten: Die Statistiken erfassen die Neuzugänge nach Staatsbürgerschaft. Allein in Neukölln rechnet man in diesem Schuljahr mit bis zu 700 neuen Schulkindern aus Bulgarien und Rumänien.
Elf zusätzliche Kräfte bekommen die Schulen in Neukölln für diese SchulanfängerInnen bislang von der Senatsbildungsverwaltung finanziert: „Sprach- und KulturmittlerInnen“ werden sie bislang genannt und greifen in den speziellen Lerngruppen für die Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse den „normalen“ LehrerInnen unter die Arme.
In einer der speziellen Kleinklasse der Hans-Fallada-Grundschule werden 14 Kinder auf den Übergang in die Regelklassen der Schule vorbereitet. Zu Schuljahresbeginn konnte keines von ihnen Deutsch. „Mittlerweile können sie sich ausdrücken und verstehen auch schon viel“, sagt Charlotte Szabo, die als „Sprachmittlerin“ hilft. Es sei „ein Glück“, dass nicht alle Kinder der kleinen Lerngruppe dieselbe Muttersprache haben, sagt sie: „So müssen sie ihre neu erworbenen Deutschkenntnisse anwenden, um sich miteinander zu verständigen.“ Das übt. Szabo ist eigentlich voll ausgebildete Lehrerin – allerdings mit einem rumänischen Universitätsexamen, das in Deutschland nicht anerkannt wird. Ungarisch, Rumänisch und Deutsch spricht die junge Lehrkraft, neben der Arbeit im Unterricht hilft sie der Schule auch, die Eltern der neuen SchülerInnen zu erreichen.
Hausmeisterwohnung wird zum Elterncafé
Die sollen künftig durch ein Elterncafé, zu dem die frühere Hausmeisterwohnung gerade umgebaut wird, stärker in den Schulalltag eingebunden und mit anderen Eltern vernetzt werden. Denn es gehe auch darum, Vorurteile abzubauen, erklärt Susanne Raufert, stellvertretende Schulleiterin: „Die Roma sind in der Hackordnung auch unter den verschiedenen Migrantengruppen ganz unten.“ Um für Toleranz unter den Kindern zu sorgen, holt man die Eltern ins Boot.
Trotz der Erfolge, von denen die Schule bei der Integration der neuen SchülerInnen berichten kann – beim Abschlussgespräch mit der Senatorin klingen auch Zukunftsfragen mit an. Dass die Sprachmittler weiter finanziert werden, sichert Scheeres zu. Ob sie nicht auch als ordentliche Lehrerinnen anerkannt werden könnten, wie Neuköllns Schulstadträtin Franziska Giffey (SPD) vorsichtig fragt – dazu sagt die Senatorin erst einmal nichts.
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