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Hilfe gegen die BezahlkarteTauschverfahren nach Rezept

Ein bisschen Bargeld liegt bei dir immer im Vorratsschrank? Dann hast du schon die wichtigste Zutat für unser heutiges Rezept für Engagement.

Illustration: Ali Arab Purian; Foto: imago

A uf dem Flohmarkt Turnschuhe kaufen, Taschengeld zum Schulausflug mitgeben – dafür braucht man Bargeld. Geflüchtete Menschen sollen allerdings möglichst wenig davon zur Verfügung haben, wenn es nach der schwarz-roten Bundesregierung geht. „Wir wollen, dass die Bezahlkarte deutschlandweit zum Einsatz kommt, und werden ihre Umgehung beenden“, steht im Koalitionsvertrag.

Die Karte für Asylsuchende wurde bereits von der Ampelregierung beschlossen. In manchen Kommunen gibt es sie schon länger. Sie ist einer Kreditkarte ähnlich, allerdings ist weder Überweisen noch Abheben möglich. Das erklärte Ziel dabei ist es, Fluchtanreize senken. In der Migrationsforschung wird der Einfluss solcher sogenannter Pull-Faktoren jedoch bezweifelt.

Bisher erhalten Bezahlkarten-Inhaber*innen in der Regel pro Monat nur 50 Euro in bar. Die Festsetzung dieses Betrages wurde von Ju­ris­t*in­nen bereits angefochten. Auch wird die Karte nicht in allen Geschäften akzeptiert. Deswegen haben Geflüchtete und Un­ter­stüt­ze­r*in­nen ein Tauschverfahren erdacht, dass wir in diesem Rezept vorstellen.

Was du brauchst:

Schwierigkeitsgrad

leicht

Zubereitungszeit

30 Minuten

Personen

geht allein, schmeckt auch mit mehreren

Zutaten

1 Tauschstation

1 Portion Antirassismus

Bargeld (nach Belieben)

Der Nährwert

Mit Bargeld können Geflüchtete selbstbestimmt entscheiden, was sie mit ihrem Geld machen möchten. Auch möglich bleibt: Verwandte unterstützen. Rund 7 Prozent der Geflüchteten tun das und senden regelmäßig Geld ins Ausland, ergab eine Erhebung aus dem Jahr 2021.

Gut zu wissen

Gutscheine gegen Bargeld einzutauschen, ist derzeit weder verboten noch strafbar – auch wenn Äußerungen aus der Politik so klingen mögen. Es ist denkbar, dass solche Tauschbörsen in Zukunft verboten werden, aktuell ist dies aber nicht der Fall.

Die Zubereitung

1 Tauschorte finden

Suche nach Initiativen in deiner Gegend. Im ländlichen Raum kann es sein, dass du in die nächstgrößere Stadt fahren musst, wo der Tausch zentral organisiert wird. Gute Anlaufstellen sind Flüchtlingsräte oder Vereine wie ProAsyl. Auch einige Parteien beteiligen sich, indem sie ihre Räume zur Verfügung stellen.

2 Tauschen

Tritt in Kontakt mit den Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen und kläre, wie genau der Tausch vor Ort abläuft. Die Idee ist simpel: Asyl­be­wer­be­r*in­nen kaufen mit der Bezahlkarte Gutscheine für Supermärkte oder Drogerien und geben diese bei Tauschstationen ab. Dafür erhalten sie den Gutscheinwert 1:1 als Bargeld. Bringst du wiederum 50 Euro Bargeld zur Tauschstelle, erhältst du einen 50-Euro-Gutschein zurück. Je nach Region kann sich der Tauschvorgang aber unterscheiden. Einige Initiativen organisieren Treffen, bei denen Freiwillige direkt mit Asylsuchenden Bargeld gegen Gutscheine tauschen können. Andere Initiativen besuchen Unterkünfte, um Gutscheine abzuholen.

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3 Abwarten (Optional)

Innerhalb eines Tauschsystems müssen Angebot und Nachfrage zusammenpassen. Die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen sorgen dafür, dass genügend Gutscheine vorhanden sind. Trotzdem kann es sein, dass es einige Tage dauert, bis du deinen Gutschein abholen kannst. Besonders dann, wenn der Tausch nicht persönlich stattfindet.

4 Dranbleiben!

Tauschprojekte und Initiativen werden aus der Politik scharf attackiert. Noch ist das Tauschen legal, aber der Koalitionsvertrag deutet an, dass es möglicherweise verboten wird. Die CSU hatte den Plan bereits Ende vergangenen Jahres verkündet. Einzelne Initiativen probieren schon andere Varianten aus, wie Einkaufsverabredungen, bei der die Person mit Bezahlkarte den Wocheneinkauf an der Kasse für die andere Person zahlt und das Geld zurückbekommt.

Zukunftsrezepte

Was kann ich tun? Die Frage erreicht die wochentaz seit Jahren immer wieder. Hier stellen wir diesen Sommer konkrete Rezepte für Engagement vor. Zum Nachkochen. Schreibt uns, wie’s schmeckt: zukunftsrezepte@taz.de

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10 Kommentare

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  • Ich finde, jene sollten hart zur Rechenschaft gezogen werden.



    Wenn 43,8 Milliarden in die Heimst überwiesen wurden, kann die Bedürftigkeit wohl nicht so groß sein.



    Immerhin sind das hart erarbeitete Gelder von Steuerzahlern in der BRD.



    Es muss ein entsprechender Erlaß her.

    • @Mc Nair:

      Rechenschaft für was? Der Kartentausch ist völlig legal. Und auch legitim, denn niemand verdient daran oder umgeht Steuern.

      Und wer hat wann 43,8 Milliarden in die "Heimst" überwiesen? Asylsuchende in Deutschland? Von ihren 400-und-paar-zerquetschten Euro monatlich? Sehr witzig! Jährlich werden insgesamt ca. 22 Millarden Euro ins Ausland überwiesen - insgesamt, also von Migrant*inn*en und nicht Nicht-Migrant*inn*en. Laut DIW* überwiesen 2021 nur 7% der Geflüchteten überhaupt Geld ins Ausland, vermutlich nur diejenigen, die bereits arbeiteten. Nennenswerte Überweisungen aus staatlichen Leistungen sind nirgends belegt.

      Übrigens: In Zukunft dürften die Auslandsüberweisungen wieder steigen, dank unserer Bundesregierung, die ja beschlossen hat, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte auszusetzen. Je kleiner der Haushalt, je größer die Wahrscheinlichkeit einer Überweisung, sagt das DIW.



      * www.diw.de/de/diw_...migrant_innen.html

  • Kann man machen, allerdings mit etwas Aufwand verbunden. Ob viele das nutzen wird sich zeigen und ob sich die Regierung so weiter auf der Nase herumtanzen lässt auch.

  • Das mit den Gutscheinen scheint nur auf den ersten Blick eine gute Idee.



    Woher weiß ich, ob ein außerhalb des Geschäftes angebotener Gutschein auch gültig ist? Die physischen Gutscheinkarten hängen frei zugänglich in der Nähe der Kassen und werden erst beim Bezahlen aktiviert. Selbst mit beigeletem Kassenzettel könnte der tatsächliche Gutschein längst benutzt worden sein.



    Abgesehen davon wird es politisch sehr einfach möglich sein, den Kauf von Gutscheinen von der Bezahlkarte auszunehmen. Mich wundert ohnehin, dass das noch nicht der Fall sein soll.



    Bargeld gegen Ware dagegen ist ein Plan, bei dem man mitmachen kann.

    • @Herma Huhn:

      Die Gültigkeit samt des Betrags eines außerhalb des Geschäftes angebotenen Gutscheins lässt sich leicht online anhand der Zahlen auf dem Gutschein überprüfen. In München z.B. wird genau diese Überprüfung bei den verschiedenen Kartentauschstellen von den Freiwilligen durchgeführt.

      Den Kauf von Gutscheinen von der Bezahlkarte auszunehmen ist vermutlich technisch nicht ganz trivial, sonst hätte die CSU es in Bayern schon längst durchgedrückt. Im Moment funktioniert das System irgendwie, allerdings übersteigt die Nachfrage nach Bargeld oft das Angebot von Gutscheinabnehmern, so dass an einem Tauschtag nicht immer alle Asylbewerber*innen ihre Gutscheine umtauschen können. Von daher ist es sehr zu begrüßen, wenn die taz hier die Werbetrommel rührt. Wir brauchen mehr Unterstützer*innen, die mit ihrem Bargeld Gutscheine bei den Tauschstellen kaufen.

      • @Klaus Galensa:

        Also Payback schafft es ja auch, dass es auf Gutscheine keine Punkte gibt. So schwierig, dass auszuschließen, sollte das nicht sein.

    • @Herma Huhn:

      @Herma Huhn.



      Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen.

      In einem jüngst erschienenen Artikel der "Zeit " , war in einem implementierten Interview mit einem ehemaligen Beamten der Bundespolizei, genau das zu lesen : Pullfaktor.

      Aus Sicht der Geflüchteten durchaus nachvollziehbar.

      Wer hier Schutz und Obdacht sucht, dem ist es doch eigentlich egal, ob er nun Bargeld erhält oder eine Bezahlkarte.

      • @skytalker07:

        Kann es eben leider nicht. Wenn das Geld für den Schulausflug bar eingesammelt wird. Wenn gebrauchte Kleider und Gegenstände von privat bar bezahlt werden müssen. Wenn Dienstleister wie z.B. Friseure oder Geschäfte, in denen spezielle Lebensmittel, die es eben nicht in jedem Supermarkt gibt, verkauft werden, nur Barzahlungen akzeptieren, sind die 50 Euro schnell weg. Ab dann kann nur noch teurer eingekauft werden. Was umso schwieriger wird, je geringer das Gesamtbudget ist.



        Mal ganz davon abgesehen, dass Pull-Faktoren zwar gern behauptet aber keinesfalls irgendwie belegt sind.



        Spoiler: Wenn Sie bedroht und verfolgt werden, gehen Sie nicht wegen des Geldes woanders hin und lassen ihr gesamtes Leben zurück.

        • @Life is Life:

          Spoiler: Die meisten Menschen fliehen unter solchen Umständen in Nachbarländer oder sind Binnenflüchtlingen. Um bis nach Deutschland zu fliehen, braucht es also weitere Gründe.

          • @ZTUC:

            Genau. Deshalb sind die meisten Syrer*innen, Afghan*innen, Somalier*innen, usw. auch nicht nach Europa sondern in die Nachbarländer geflüchtet. Wenn manche doch bis nach Deutschland gekommen sind, dann wahrscheinlich aus den gleichen Gründen, warum im 19. Jahrhundert geschätzte 50 Millionen Europäer*innen ausgewandert sind: nicht wegen der tollen Sozialleistungen in den Zielländern, sondern weil sie von einem besseren Leben geträumt haben.