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Hilfe beim Sterben

■ Viele Ärzte sind bereit, Aidskranken eine Überdosis zu verschreiben

Vancouver (AP/dpa) – Viele Aidskranke sehen im Selbstmord die einzige Chance, ihrem Leiden ein Ende zu setzen. Zu diesem Schluß kommt eine Studie des Gesundheitsexperten Thomas Mitchell von der Universität von Kalifornien. Etliche Ärzte seien außerdem inzwischen bereit, beim Sterben zu helfen. Auf der Internationalen Aidskonferenz im kanadischen Vancouver erklärte der Wissenschaftler, ein großer Teil der im Großraum San Francisco befragten 228 Mediziner hätte zugegeben, beispielsweise durch die Verschreibung einer Medikamentenüberdosis, zu assistieren. 53 Prozent der Ärzte, die den Fragebogen zurückschickten, hätten eingeräumt, ihren Patienten bei Selbstmorden zur Seite zu stehen. Die Hälfte der Befragten reagierte nicht auf die Anfrage.

Die Krankenschwester Roz Leisner, die in der Aidsforschung der Universität von Kalifornien in San Francisco arbeitet, erklärte, sie rechne trotz der Entwicklung neuer, vielversprechender Medikamente für Aidskranke nicht damit, daß bei den Patienten das Verlangen abklinge, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Solange man mit Aidstherapien den Tod nicht zuverlässig verhindern könne, würden vor allem Patienten, bei denen die Krankheit weit fortgeschritten sei, an Selbstmord denken. Nach eigenen Befragungen unter Kolleginnen hätten 15 Prozent zugegeben, Patienten aktiv bei Selbstmorden geholfen zu haben. Zwei Drittel hätten angegeben, sie seien bereit, Aidspatienten aufzuklären, wie sie ihrem Leben ein Ende setzen könnten. „Ich habe Menschen die schrecklichsten Tode sterben sehen. Selbstmord ist eine Wahl, die den Betroffenen zustehen sollte“, sagte Leisner. Nach einer Studie der Ärztin des Londoner Royal Free Hospitals haben von 188 Aidspatienten der Klinik 21 Prozent versucht, sich umzubringen.

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