: Hetzkampagne gegen Hafenstraße
■ Weil eine Hafenstraßen–Bewohnerin 1978 in Sachen RAF–Haftbedingungen bei der Besetzung des Frankfurter dpa–Büros dabei war, zetert die Bild–Zeitung Hamburg: „Dohnanyi verhandelt mit RAF–Frau“
Aus Hamburg Kai von Appen
Mit einer einzigartigen Pressekampagne versuchen derzeit die hanseatischen Medien, eine sich anbahnende friedliche Verhandlungslösung um die Zukunft der besetzten Häuser in der Hafenstraße in letzter Minute zu torpedieren. „Dohnanyi verhandelt mit RAF–Frau“ (Bild) und „Hafenstraße - ein Schlupfloch für die RAF“ (Hamburger Abendblatt) hießen die Schlagzeilen der letzten Tage. Und neben CDU–Oppositionsführer Hartmut Perschau, der den sofortigen Abbruch der Verhandlungen fordert, meldete sich gestern auch die Polizeigewerkschaft zu Wort: „Die Grenzen der Loyalität sind erreicht“, so hieß es. Ausgelöst wurde die „Hetzkampagne“ (GAL) am vergangenen Montag durch einen Beitrag des Regionalmagazins Hamburger Journal. Gestützt auf ältere Informationen des Verfassungsschutzchefs Christian Lochte wollte die Redaktion in der Hafenstraßen–Bewohnerin Simone B., die in der vergangenen Woche als Mitglied der Hafenstraßen–Delegation mit Bürgermeister Dohnanyi um die Zukunft der Häuser zeile verhandelte, den „legalen Arm der RAF in Hamburg“ entdeckt haben. Bereits am nächsten Morgen war diese Story zum beherrschenden Thema in allen Medien geworden. Es wäre nicht das erste Mal, daß der oberste Verfassungsschützer Lochte (CDU) gegen die BewohnerInnen des umkämpften Häuserkomplexes einen Anti–RAF– Feldzug führt. Schon im Herbst 1986, als in Hamburg aufgrund des Todes von Günter Sare mehrere Häuser in Flammen standen, bezichtigte der Geheimdienstchef indirekt angeblich in der Hafenstraße lebende RAF–Sympathisanten, für die Anschläge verantwortlich zu sein. Lochte stützte seine These auf einen Vorfall aus dem Jahre 1978: Damals war die zu dem Zeitpunkt 19jährige Simone B. mit an der Besetzung des Frankfurter dpa–Büros beteiligt gewesen, mit der die Nachrichtensperre über den lebensbedrohlichen Zustand der Inhaftierten Karl Heinz Dellwo und Werner Hoppe durchbrochen werden sollte. Simone B. war daraufhin wegen „Werbung für eine terroristische Vereinigung“ zu sechs Monaten auf Bewährung verknackt worden.
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