Hetze gegen linke Politikerinnen: Sie werden härter
Linke Politikerinnen werden in sozialen Medien zunehmend mit sexualisierten Hass-Posts überschüttet. Jetzt wehren sie sich.
„Du Nutte“, „Schlampe“ und schließlich: „Ich wünsche Ihnen eine Vergewaltigung an den Hals, und das täglich.“ Es ist nur eine kleine Auswahl an Kommentaren, die die Linken-Bundestagsabgeordnete Caren Lay am 21. Februar im Bundestag vorträgt und sich dabei vor allem an die Abgeordneten der AfD wendet. Es sind Kommentare, die Lay erhielt, nachdem sie an einer Demo teilnahm, die den von AfD-Mitglied Leyla Bilge angemeldeten „Marsch der Frauen“ am 17. Februar in Berlin blockierte.
Lay twitterte damals von der Blockade – und daraufhin kam eine Flut von zum Teil unterirdischen Kommentaren. Die ersten Kommentare spiegelte Lay noch auf Twitter zurück, doch das spornte die Beleidiger nur an.
Inzwischen setzt sich die Abgeordnete juristisch zur Wehr und hat zehn Personen angezeigt, wegen Beleidigung, Nötigung oder auch Gewaltandrohung. „Das Ausmaß und der Inhalt haben mich total schockiert“, sagt Lay der taz. Sie habe bereits früher Hasskommentare erhalten. Doch die Verknüpfung von Bedrohung und sexistischer Beleidigung sei eine neue Qualität.
Die meisten Kommentatoren stammten aus dem Umfeld der AfD, vermutet Lay. Das gehe sehr deutlich aus dem Kontext hervor, und Auslöser des Shitstorms sei ja die Blockade der AfD-Demo gewesen. „Die Anzahl der Hasskommentare hat eine neue Dimension erreicht und ist eng verbunden mit dem Aufstieg der AfD“, meint Lay.
Eine lautstarke Minderheit
Auch die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram erhielt Hunderte Kommentare und Mails, nachdem sie an der Demo gegen den Marsch der Frauen teilnahm. „Das war vom Ausmaß her schon krasser als vieles, was ich vorher erlebt habe“, sagt sie. Auch ihr Eindruck ist: „Es hat zugenommen, wohl weil sich die AfD gezielt einer Strategie bedient, um größer und bedrohlicher zu wirken.“
Einer aktuellen Studie zufolge ist es eine lautstarke Minderheit, die sich im Netz als Mehrheit aufspielt. So seien im Januar lediglich fünf Prozent der Accounts für 50 Prozent der Likes bei Hasskommentaren verantwortlich gewesen. Die meisten der bei Hassinhalten hochaktiven Accounts ließen sich als Anhänger von AfD und Identitären identifizieren. Beruhigend?
Canan Bayram bleibt jedenfalls gelassen. „Bei mir gibt es zwei Kategorien: Mülleimer oder Anzeige.“ Die meisten Accounts hat die Juristin einfach gesperrt, Anzeige erstattet sie nur, wenn der Straftatbestand der Bedrohung erfüllt ist. Im aktuellen Fall habe sie keine Anzeige erstattet.
Anders reagiert Sylvia Gabelmann. Die Linken-Abgeordnete ist seit einigen Wochen ebenfalls massenhaften Beleidigungen ausgesetzt. Die Kommentatoren auf Facebook begnügten sich zum Teil nicht damit, Gabelmann als blöde alte Kuh zu beschimpfen, sondern wünschen ihr unter anderem eine Vergewaltigung durch „20 Neger“. Gabelmanns Mitarbeiter sagt der taz, man sei dabei, Anzeigen zu stellen – an die hundert seien in Arbeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“