Hertha-Fans demonstrieren gegen Preetz: Dümmer als die Polizei erlaubt
Der geplante Protest der Hertha-Anhänger gegen die Vereinsführung kommt viel zu spät. Schon lange hat diese den Stillstand zur Kunstform entwickelt.
![Manager Preetz und Präsident Gegenbauer in Trainingsjacken im Gespräch Manager Preetz und Präsident Gegenbauer in Trainingsjacken im Gespräch](https://taz.de/picture/4636529/14/26662763-1.jpeg)
W er sich Sorgen um das Recht auf Demonstrationsfreiheit in Pandemiezeiten macht, kann einstweilen beruhigt sein. Die Behörden in Berlin haben dem Antrag der Hertha-Fans stattgegeben, am Samstag vor dem Stadion eine Kundgebung gegen die Hertha-Funktionäre Werner Gegenbauer und Michael Preetz abzuhalten und ihrer Forderung nach dem Rücktritt des Präsidenten und Geschäftsführers Nachdruck zu verleihen. Für 70 Menschen ist die Veranstaltung vorgesehen. In weiser Voraussicht hat die Polizei eine gewisse Großzügigkeit in Aussicht gestellt, sofern die Abstandsregeln eingehalten werden.
Inhaltliche Bewertungen von Demonstrationen verbieten sich zwar für die Polizei, im Sinne des Gesundheitsschutzes hätte man aber in diesem Fall mal eine Ausnahme machen können. Gute Argumente gegen diesen Auflauf gibt es schließlich genug. Den Ablehnungsbescheid hätte man wie folgt formulieren können:
Liebe Hertha-Fans, die Protestaktion kommt viel zu spät. Bereits zwölf Jahre lang hat das Duo Preetz/Gegenbauer kontinuierlich nachgewiesen, dass es nicht in der Lage ist, den Verein auf erfolgreiche Gleise zu stellen. Warum seid ihr nicht schon vorher auf die Straße gegangen? Erinnert sei daran, dass Michael Preetz zu Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2009 einerseits einen sparsameren Kurs ankündigte, andererseits die rhetorische Frage stellte: „Aber soll ich deswegen sagen: Wir spielen um Platz zehn?“ Vorgänger Dieter Hoeneß hatte in seinem letzten Jahr die traditionell hohen Erwartungen in Berlin noch einmal befeuert. Die Hertha schloss die Saison auf Platz vier ab.
Im Premierenjahr von Preetz stürzte die Hertha dann als Tabellenletzter in die Zweite Liga ab, dem Wiederaufstieg folgte ein Wiederabstieg. Nach erneuter Rückkehr in die Eliteliga erreichte der Verein in der Ära Preetz/Gegenbauer lediglich zweimal einen einstelligen Tabellenplatz.
Prinzip Cliquenwirtschaft
Als eindeutig größter Erfolg ist den beiden anzurechnen, dass diese Erfolglosigkeit ihnen nicht das Geringste anhaben konnte. Auf den Mitgliederversammlungen habt ihr Fans zwar viel Radau gemacht, ein tragfähiger Oppositionsgeist hat sich aber nie aufgebaut. Viele schwärmen immer wieder vom Idyll in Freiburg, wo das Führungspersonal auch in Krisenfällen nicht um seine Arbeitsplätze fürchten muss.
Bei Hertha ist es trotz des viel schwierigeren Umfelds bis zuletzt genauso gewesen. Preetz schützte allerdings nicht ein erkennbar guter weitsichtiger Plan, den er verfolgte, sondern der ihm sehr verbundene Präsident Werner Gegenbauer mit samt seinem guten Netzwerk. Bei Hertha sorgte das Prinzip Cliquenwirtschaft für Kontinuität.
Wenn Preetz große Ziele und Visionen formulieren sollte, sprach er meist von Bodenständigkeit, Augenmaß und Entwicklung. Dabei hat der 53-Jährige den Stillstand mittlerweile zu einer Kunstform entwickelt. Trotz der 274 Millionen Euro, mit denen der Investor Lars Windhorst den Verein seit dem Sommer 2019 überschüttet hat, ist Hertha keinen Schritt weitergekommen, sondern rangiert punktgleich mit Arminia Bielefeld, der ärmsten Kirchenmaus der Liga, auf Platz 14.
Der Protest gegen Preetz, liebe Hertha-Fans, kommt jetzt auch deshalb zu spät, weil ihr damit lediglich Lars Windhorst in die Hände spielt. Denn der Geschäftsführer steht eh schon auf der Abschussliste des Investors. Die Entlassung von Preetz wird Windhorst eine noch größere Einflußnahme auf den Verein sichern. Für den Verein wird sich dadurch nichts zum Guten wenden – im Gegenteil. Hertha hat sich mit seinem Rekordschuldenstand von 142 Millionen Euro an einen Spekulanten verkauft. Hertha ist dümmer als die Polizei erlaubt.
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