piwik no script img

Hertha BSCAus dem Club der Vergessenen in die Top Fünf

Hertha BSC soll in dieser Saison wieder oben mitspielen, wünscht sich Manager Dieter Hoeneß. Er sucht weiter nach Spielmacher und Geldgeber

Bei Hertha beginnt der Kampf gegen das Mittelmaß. Am Sonntag starten die Berliner mit einem Auswärtsspiel bei der Eintracht Frankfurt in die nächste Bundesligasaison. Nachdem der Club in den letzten beiden Spielzeiten in der Abschlusstabelle jeweils nur den zehnten Platz belegt hatte, merkte Vereinspräsident Werner Gegenbauer kritisch an: "Zwischen Platz neun und 13 schreibt man keine Geschichte." Auch Manager Dieter Hoeneß hat genug vom Durchschnittskick der letzten Jahre. Gemäß seinem Stufenplan spielt Hertha die nächsten Monate um Platz fünf mit. Und sein letztes Amtsjahr bei Hertha würde Hoeneß gerne mit einem Champions-League-Platz krönen.

International waren die Berliner sogar bereits am Donnerstag im Einsatz. Im Hinspiel zur Uefa-Cup-Qualifikation gewann man 2:0 in Slowenien gegen Ljubljana. Doch diesen Auftritt hatten sich die Herthaner nicht sportlich erkämpft. Der erste Rang in der Fairnesstabelle, sprich die Sanftmut, hievte die Profis auf die europäische Bühne.

Dass das Team von Trainer Lucien Favre auch nach Toren und Punkten bald wieder vorne dabei sein wird, mag außerhalb von Berlin kaum einer glauben. Auf die vorsaisonalen Standardfragen des Fußballmagazins Kicker - Wer wird Meister? Wer qualifiziert sich für einen europäischen Wettbewerb? Und wer steigt ab? - nannten die Leser jede Menge Vereine. Nur vier blieben unerwähnt. Zum kleinen Kreis der Vergessenen zählt Hertha.

Selbst Trainer Favre fallen auf Anhieb sieben Mannschaften ein, die realistisch gesehen, wie er sagt, vor seinem Team platziert sein müssten. Dennoch trägt er die hohen Vorgaben der Vereinsführung mit. Favre hat in der Schweiz des Öfteren bewiesen, dass er auch mit bescheidenen Mitteln Erfolge erzielen kann. Genau so soll er auch die mit 30 Millionen Euro verschuldete Hertha nach oben bringen.

Damit der moderate Sparkurs des Vereins wie eine freiwillig gewählte Strategie wirkt, spricht Manager Hoeneß gern von "Substanzaufbau" und "Nachhaltigkeit". Und in seiner Vorliebe für den Politikerjargon hat er den Slogan formuliert: "Dem Jahr des Umbruchs soll ein Jahr des Aufbruchs folgen."

In seiner ersten Saison gab Favre dem Hertha-Team ein völlig neues Gesicht. Elf Spieler kamen neu dazu, noch mehr gingen. Schlechte Leistungen stießen daher noch auf Verständnis. Das aber wird in der nun postulierten "Aufbruchsstimmung" fehlen. Favre hatte zwölf Monate Zeit, seine Vorstellungen vom schnellen Direktfußball einzustudieren. Fortschritte waren zuletzt durchaus zu erkennen. Sein Kader wurde zudem für die neue Spielzeit um weitere sechs Spieler ergänzt. Die Brasilianer Cicero und Kaka, der Tunesier Amine Chermiti sowie der von Rostock gekommene Marc Stein dürften für die Wunschformation in Frage kommen.

Durch die neuen Profis hat die Mannschaft vor allem in der Defensive an Flexibilität gewonnen. Den Offensivbereich aber, den Favre als größte Schwachstelle im Hertha-Spiel kritisiert hatte, wird nur der 20-jährige Chermiti beleben können. Der Verein ist weiter auf der Suche nach einem Ideengeber im Mittelfeld.

Womöglich fehlt es dafür am nötigen Geld. Hoeneß gestand vor wenigen Tagen in einem Interview, er sei ein wenig neidisch auf den VfL Wolfsburg, der wieder so viel Bares vom dort ansässigen Autokonzern zugesteckt bekommen hat. 25 Millionen Euro, die auch Hoeneß gern auf dem Konto hätte. Und mehr oder minder beiläufig erklärte der Manager, ein Investor wäre gut beraten, jetzt bei der Hertha einzusteigen, weil der Wert des Vereins mit dem sportlichen Erfolg künftig steigen würde. Das klang fast ein wenig nach Betteln. Denn der Verein ist schon seit geraumer Zeit erfolglos auf der Suche nach einem sogenannten strategischen Partner, der auch mal Startransfers ermöglichen soll.

So hundertprozentig vertrauen kann man ja bei Hertha auch nicht auf Favres relativ preiswerten Konzeptfußball. Wenn es schiefgeht, stehen weitere Jahre Mittelmaß an. Johannes Kopp

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!