Hermannus Pfeiffer über Versicherer und amtliche Lebenserwartung: Statistik trügt
Irgendwie kann man die Versicherungsunternehmen auch verstehen. Sie gehen gerne auf Nummer sicher – und rechnen deshalb mit ganz anderen Zahlen als die Behörden.
Seit vielen Jahren erklären uns Mediziner, Pharmaindustrie und Gesundheitsminister, dass wir immer älter würden. Das ist zu schön, um wahr zu sein. Doch Skeptiker, die auf den VW-Dieselskandal, industriell hergestelltes Fastfood oder digitalen Arbeitsdruck in den Betrieben verweisen, werden in Talkshows glatt weggelächelt.
Dabei ist es mit der statistisch zunehmenden Lebensdauer gar nicht so weit her. Im Vergleich zur vorangegangenen Sterbetafel 2012/2014 des Statistischen Bundesamts (Destatis) ist die Höhe der Lebenserwartung bei Geburt im aktuellen Berechnungszeitraum 2013/2015 nahezu unverändert. Doch Statistik trügt bekanntlich.
Schon vor der amtlichen Statistik wurden Menschen alt. In der Literatur tauchen bereits zu Goethes Zeiten massenhaft Achtzig-, ja Neunzigjährige auf. Der statistischen Alterung danach halfen vor allem drei Aspekte: Die Kindersterblichkeit infolge hygienischer Mängel wurde hierzulande besiegt; der Kampf gegen Infektionskrankheiten wie Tuberkulose dank Antibiotika gewonnen, und die Arbeitsbedingungen wurden ab den 1960er Jahren wieder menschlicher.
Diese „Sonderfaktoren“ herausgerechnet, bleibt von der Steigerung der Lebenserwartung kaum mehr übrig als ein für viele hochprofitables „Gesundheits“-Unwesen.
Immer stärker zu spüren bekommen wir aber die krankmachenden Faktoren in Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Dass die Lebensversicherer dies in ihre Kalkulation einpreisen und damit zunächst einmal milliardenschwere Extragewinne erzielen können, darf man der Finanzbranche ausnahmsweise einmal getrost nachsehen. Denn im Grunde ermahnen sie uns, dem allzu optimistischen Wortschwall von Ärzten, Politikern und Lebensmittelkonzernen zu widerstehen.
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