: Hermann Rademann ist tot
■ Ein Freund von uns, der das Leben liebte, ging in den Tod
N A C H R U F
Hilflos sah er zu, wie die Welt sich durch die Selbstsucht und Gier einer kleinen Machtschicht auflöst. Deutlich sah er jedoch auch, daß sich die Mehrheit der Menschen nach dieser kleinen Schicht in ihrer Bequemlichkeit und ihren Anpassungsmechanismen ausrichtet. Er wollte eine friedfertigere Welt ohne Kasten-und Klassendenken. Verzweifelt an seiner eigenen Schwäche, seine Trägheit zu überwinden, ging er den Weg durch die Psychatrie.
Mit 20 Jahren führte er die Bremer Straßenbahnschlachten in der Apo-Zeit an - 20 Jahre zehrte er davon, um sich mit 40 Jahren - an der Schwelle der eigentlichen Umsetzung von Erkenntnissen zu erhängen. Es war ihm bewußt, daß die Menschen in seiner Umgebung und seine Freunde im Viertel seine Verzweiflung als Mahnung, seine tiefen Depressionen ohne Drogen in ihrer Bequemlichkeit und Anpassung nicht mehr ertragen konnten. Er stand vor der Entscheidung seine Trägheit zu überwinden, um mit einer kleinen Minderheit den Weg des Bewußtseins zu gehen. Er wählte den Tod.
In vielen Gesprächen mit Herman Rademann spürte ich seine Sehnsucht nach Liebe, Frieden und Gerechtigkeit. Über die Bewußtseinserweiterung der Drogen fühlte er, daß unsere sichtbare Welt nur ein kleiner Ausschnitt von Leben beinhaltet. Er suchte die Nähe von Menschen, die sich konsequent auf ihr Gewissen beziehen und sich versuchen frei -zumachen von Hochmut, Eitelkeit und Anpassung. In der Psychatrie begegneten ihm Menschen, die er durch ihre Ohnmacht und Sensibilität in diesem Sinne glaubwürdiger empfand als viele andere Menschen. Anne-Gesine Roggendorf
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