■ Heribert: Fußball rechts, Fußball links
Ja, liebe Medienseitenleser, auch wir haben eine WM-Kolumne. Unter dem schönen Titel „Heribert“ werden von nun an in halbloser Folge, verläßlich nur am Wochenende, von uns für kompetent erklärte Medienexperten über den medialen Über- und Unterbau der Fußballweltmeisterschaft räsonnieren.
„Die Franzosen haben Fußball häufig als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln gesehen ... frei nach Clausewitz“, klabauterte die FAZ am Tag der Eröffnung, dem 10. 6., herrisch krähend in die Runde: Nicht die Nazis, erklärte uns Jürg Altwegg, die Franzosen waren die besten Nationalisten, als 1938 der erste europäische Mundial ausgetragen wurde: „Ein Land gedenkt, zelebriert, denkt zurück.“
Hurra! Die Spiele sind eröffnet. Und wie! Frankreich, schwankend zwischen Chirac und Jospin, Plumpdummheit und sozialistischer Besonnenheit, startet durch. Man könnte so denken. Was uns im Vorfeld die angeblich linke Wochenzeitung Jungle World an dumm- nachlässiger Analogiewissenschaft servierte, läßt Schlimmes vermuten. Daß deutscher Fußball ohne Netzer Dreck sei und die BRD partout nicht gewinnen könne, gilt da als ausgemacht. Man möcht' bereits speien. Nie war die vorauseilende Publizistik so öde. Das blinde Gerede kennt keine Schamgrenze mehr.
Wenden wir uns lieber dem Wesentlichen zu. Klaus Allofs, frisch bestallter ZDF-Experte, läßt Finanzspezi Rudi Cerne alt aussehen. Allofs begreift, worum es geht auf dem Platz, und nervt nicht mit verqueren Analysen. Ein überraschend Kluger. „Das Spiel schmeckt nach mehr!“ zurrte früh der arg eingebremste Béla Réthy die Maßstäbe fest, wurde aber alsbald durch einen wie entfesselt agierenden Rolf Töpperwien getoppt: „Das Stadion ist mit den Chilenen.“ Eurosport konterte: „Eine amputierte Schwalbe!“ Holla.
Frankreich führte während der Eröffnungsfeier, einem „frohen Fest der Sinne“ („heute“), das albernste Gerümpel der Aufmarschgeschichte ins Feld. Gelassen blickten dennoch Kürten und Kalli hinter ihren anmutig orangenen Mikros drein. Schaltungen nach Rio, Schaltungen zur dt. Pressekonferenz, und Udo Lattek übt sich bei DSF vor Bistrokulisse im „Kaffeesatzrühren“ (W. Hartmann). Ein Plausch in die Leere, eine sog. WM-Börse der Uni Witten-Herdecke, und irgendwer zeigt „die Fähigkeit, den Ball lieb zu haben“ – es dürfte schwer werden. Jürgen Roth
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