piwik no script img

■ HeribertLob des Rasenmähers

Dritte Folge: Es gibt eine Alternative zum deutschen Fußballkommentar

Es ist schon erstaunlich, wie reflexartig manche WM-Zuschauer momentan auf die bloße Erwähnung der Namen Kerner, Faßbender, Rugenbauer reagieren: widerwärtig sei die ganze Reporter-Bagage. Das liegt zunächst einmal an den deutschen WM-Kommentatoren selbst, an ihrem nationalen Pathos, ihrem Pseudo-Hintergrundwissen und den tristen Wortspielen („Das roch nach Foul von Fish“). Viele Zuschauer sind aber davon persönlich peinlich berührt, weil sie sich selbst im anderen wiedererkennen: Was wäre, wenn „ich“ 90 Minuten und länger in einem fort vor Publikum vernünftig sprechen müßte? Da „ich“ es nicht kann, muß es jemand anders tun, und, um das persönliche Defizit auszugleichen, muß der es besser machen. Ein Konflikt, der meist in die Forderung mündet, die Reporter ganz abzuschaffen und das reine Spiel mit Stadionatmosphäre zu übertragen. Was wiederum gar nicht funktioniert, denn TV-Zuschauer brauchen den Erzähler, der die Dramaturgie des Spiels vermittelt. Allerdings brauchte das deutsche Fernsehen jemanden wie – Vorhang auf: Guy Mowbray von Eurosport. Der Mann, der trockenes Gras zum Klingen bringt.

Seit März 1997 ist Mowbray „die Stimme“ des englischen Kanals von Eurosport und damit leider nur einer kleinen, gleich dreifach gefilterten Minderheit zugänglich: Man muß einen Kabelanschluß und ein Zwei-Kanal-Gerät besitzen sowie gut Englisch verstehen können. Immer auf Ballhöhe folgt Mowbray, mal mit ruhigem, mal mit explodierendem Timbre, den Aktionen. Nie schweift er zu schlechtfrisierten Großmüttern bulgarischer Spieler ab, nie zieht er ein verfrühtes Fazit, und er läßt sich allenfalls, wenn Ronaldo einen Ball elegant erkämpft hat, zu einem kleinen Schnalzer hinreißen: „Shall we dance?“ Spärlich setzt er seinen Witz ein: Als der amerikanische Schiedsrichter in der Partie Brasilien–Norwegen einen fragwürdigen Elfmeter zu Lasten der im Parallelspiel antretenden Marokkaner verhängt, knistert es aus ihm heraus: „Jetzt muß der Referee Casablanca aus der Liste seiner Urlaubsorte streichen.“

Auch wenn, um es pessimistisch auszudrücken, das „Andere“ irgendwann immer in das „Eine“ zurückfällt: Guy Mowbray ist zur Zeit der König der Rasenmäher. Michael Ringel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen