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HerbstgemüseEsst weniger Kürbis!

Noch vor dreißig Jahren gab es in Deutschland nur drei Sorten Kürbis zu kaufen - als Schweinefutter. Jetzt gibt es allerlei Kürbis-Rezepte. Muss das sein? Eine Abrechnung.

Wie viele Sorten Kürbis gibt es? Bild: dpa

Es war Frühherbst, als ich einen Moment lang glaubte, dass es eine einfache Lösung für das Welternährungsproblem gibt. Fünf Monate zuvor war mein Vater mit dem Trecker in den Garten gefahren und hatte einen Frontlader voll Kompost auf ein Beet gekippt. Für seine Gladiolen.

Vielleicht waren die Kürbiskerne im Kompost, vielleicht hatte auch irgendjemand eine Tüte Samen über dem lockeren, braunen Boden ausgeschüttet. Jedenfalls wuchsen Kürbisse. Zwei, fünf, zehn, fünfzehn, immer mehr. Große Kürbisse.

Ich musste mein ganzes Gewicht auf das lange Messer stützen, damit die Klinge die orangene Fruchtschale auseinanderplatzen ließ. Kleingehackt wurde der Kürbis süßsauer eingekocht, Dutzende Gläser, Nachmittage und Abende lang. Es gab viel Suppe und als die niemand mehr sehen konnte, weitere Gläser für den Keller. Kürbis für Jahre.

Irgendwann ging meine Mutter in den Garten und schnitt die neuen Blüten und die winzigen Früchte, die immer wieder wuchsen, mit der Gartenschere einfach ab.

Ich war erleichtert. Und beschämt. Das ist doch was zu essen, dachte ich. Die armen Kinder in Afrika.

Zum Glück war 2010 kein gutes Kürbisjahr. Fünfzig Prozent Ernteeinbußen, sagen einige Gemüsebauern. Es war zu lange kalt im Mai und zu heiß im Juli. Der Kürbis wächst schnell, innerhalb weniger Wochen, dann reift er. Die Wachstumsphase ist das Wichtigste, da braucht die Pflanze es warm und feucht.

taz

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Weniger Suppe dieses Jahr, könnte man hoffen. Aber das Wetter hilft kaum noch. Mittlerweile kaufen meine Mitbewohnerinnen wie alle anderen die Kürbisse im Laden. Es gibt Kürbis-Tomaten-Chutney, Kürbisrohkostsalat und frittierte Kürbispommes mit Kürbisketchup. Letztens bin ich über das Rezept für einen Kürbisstollen mit Rosinen und Puderzucker gestolpert.

Seit dem orangenen Herbst vor einigen Jahren bin ich auf der Suche nach dem Schuldigen. Schließlich schaffte es vor dreißig Jahren noch kein Speisekürbis in deutsche Supermärkte, überhaupt waren nur zwei oder drei Sorten zu bekommen. Schweinefutter, sagten die Leute auf dem Land. In Stollen kamen Mandeln oder Marzipan.

Nach Verantwortlichen in ferner Vergangenheit zu suchen, befriedigt nicht. In Ecuador fand man archäologische Beweise, dass dort bereits etwa 10.000 vor Christus Kürbisse domestiziert wurden. Das ursprünglich bittere und leicht giftige Fruchtfleisch wurde durch die Auswahl von Pflanzen immer bekömmlicher.

Schon Kolumbus soll mit vielen anderen Pflanzen auch Kürbiskerne mit nach Europa gebracht haben, sie verbreiteten sich anschließend bis nach Asien. In jeder Region wurden eigene Arten gezüchtet; die entwässernde Wirkung des Kürbis entdeckte man bald als Heilmittel.

Die Prostatatabletten blieben, aber essen wollte das Gemüse im zwanzigsten Jahrhundert kaum noch jemand in Mitteleuropa, anders als in Nordamerika oder Asien. Irgendwer muss doch schuld sein, dass sich das änderte. Irgendjemanden muss man doch zur Verantwortung ziehen können.

Es könnte sein, das Michel Brancucci der Mann ist, den ich suche. Michel Brancucci ist sechzig Jahre alt und Doktor der Biologie, er arbeitet als Konservator am Naturhistorischen Museum in Basel. Eigentlich sind Insekten sein Schwerpunktgebiet.

Vor dreißig Jahren begann Brancucci in der Nordschweiz damit, Kürbisse anzubauen, gründete einen Kürbisclub, ging auf Märkte. Von der Schweiz her sei der Ölfleck gewandert, sagt er. Auf Märkte im Elsass, dann nach Deutschland. Michel Brancucci schrieb mit einer Kollegin zusammen fünf Bücher. Sie heißen "Kürbis", "Das Große Buch vom Kürbis", "Das Kürbis Kochbuch", "Die Kürbis-Fibel" und "Kürbisküche: Klassische Rezepte".

Dass der Kürbis in den letzten Jahren als Gemüse anerkannt sei wie die Kartoffel - "ich meine, das hat ein bisschen mit mir zu tun", sagt er. Europäisches Halloween und Kürbislaternen hätten sich erst nachträglich auf diese Entwicklung hinaufgepfropft.

Wenn es so einfach ist, Geschichte zu machen, muss es doch auch möglich sein, ihr eine neue Wendung zu geben. Den Hype zu bändigen.

Man könnte langsam anfangen, bei den Zierkürbissen. Die als out zu erklären ist leicht. Zierkürbisse sind die neuen Gartenzwerge - genauso nutzlos, genauso spießig, genauso nichtssagend. Wir sollten sie endlich auch wie solche behandeln. Wer will sich schon einen Gartenzwerg vors Haus stellen?

Der nächste Schritt könnte sein, Kürbisse nicht mehr in jedes Gemüsegericht zu werfen. Sie behutsam von dort zu entfernen, wo ihren Geschmack sowieso niemand vermissen wird.

Und dann könnten wir noch die Gartenschere wieder hervorholen. Eine Bekannte hat mir verraten, dass man Kürbisblüten essen kann. Sie schmecken hervorragend in Pfannkuchenteig gewendet und frittiert. Ich habe es meiner Mutter weitergesagt. Sie nennt es: das Problem an der Wurzel bekämpfen.

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9 Kommentare

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  • Hallo,







    Die Verdienste von Herrn Brancucci in allen Ehren, aber er hat vermutlich ziemlich wenig mit der aktuellen Entwicklung und dem Trend hier in Deutschland zu tun.







    Der Mann, nach dem Sie suchen, bzw. dem Sie die aktuelle Entwicklung mit zu verdanken haben, heißt Georg Thalhammer und er hat den Kürbis als neue und gefragte Feinkostartikel in Flaschen und Gläser gebracht. Zuerst mit Ketchup und Püree, dann mit Brotaufstrichen und neuerdings sogar mit Sirup für den Kaffee.







    Im Übrigen ist das auch eine der Entwicklungen, die so langsam aus den USA zu uns herüberschwappt. Dort erfreuen sich die Kürbisprodukte nicht nur zu Halloween großer Beliebtheit.







    Kommentar gekürzt. Btte halten Sie sich an unsere Vorgaben.

  • B
    BiBo

    Genau, Gemuese ist baeh, ebenso Obst. Und Fleisch ist doof weil Tiere tot.

     

    Nun gut, dass wir alle unsere Pillen haben, die uns ernaehren. Geschmack? Ueberfluessig! Optik? Ueberbewertet! Vitamine? In Pillenform! Genuss? Ungerecht! Beete? Zu betonieren!

     

    Also bitte lieber mal 20cent nehmen und die Parkuhr vollabern (zwei ll) oder lieber 20 Pfennig (so wie frueher, wo alles besser war).

     

    Ich las den Text nur, weil ich gerne koche. Und Kuerbissupppe liebe. Und Kuerbisstollen. Und Kuerbiskerne im Salat. Und Kuerbisoel auf Scampi. Und und und....

  • P
    pannetone

    @fenny:

    Rucola mag trendig erscheinen, ist aber die gute alte deutsche Rauke, die schon meine Uroma kannte. Topinambur und Pastinaken sind ebenfalls eher Wieder- als Neuentdeckungen. Diese Gewächse haben in der kontinentaleuropäischen Küche lange Tradition, wie in historischen Kochbüchern nachzulesen ist.

    A propos: Wenn Sie Kochbücher für 'normale', d.h. traditionelle/bürgerliche Küche suchen, sind die Basis- und Schulkochbücher von Dr. Oetker nach wie vor hervorragend.

    Und jetzt Schluss mit Kulturpessimismus!

  • A
    agtrier

    Wenn man nicht gerade durch ein Überangebot aus dem elterlichen Garten traumatisiert wurde hat der Kürbis auch einen ganz erheblichen Vorteil: Er ist erstaunlich lecker! Zumindest, wenn man ihn richtig zubereitet.

  • F
    fenny

    schimpft lieber auf rucola und pastinaken, topinambur und koriander in jedem verdammten gericht. normale gerichte gibts eh nur noch im internet, in kochbüchern ist alles kompliziert-trendig und schmeckt bedenklich. man hätte hier ja mal das thema trend-zutat mal kritisch beleuchten können....

    nur kürbis, der schmeckt gut, ist saisonal-regional zu kriegen, schmeckt lecker und kann einfach so zur suppe gemacht werden, ohne großes tamtam. und ausgehöhlt leuchten sie schön.

  • WW
    Wilhelm Wander

    oh-oh das klingt nach schwerer Kürbisallergie ;)

     

    Trotz der näher rückenden Kürbisbedrohung ist es mir bisher gelungen, dem gemeinen Gemüsekürbis in jeder Dareichungsform zu entkommen und Käufern von Zierkürbissen begegne ich immer noch und immer wieder mit stillem Staunen...

    Aber das Kürbiskompott meine Großmutter wird auf ewig zu meinen leckersten Kindheitserinnerungen gehören - sie hat mir zum Glück nie verraten, das Kürbis ein Gemüse ist.

    Heute gibt bei mir bestenfalls ein paar Kürbiskerne auf dem Brot und weil die gebacken sind, sind sie auch völlig ungefährlich

  • PK
    Pump King

    Finger weg vom Kürbis Fräulin oder die Rache der Kürbis Front wird fürchtlich sein. Sie wissen ja nicht mit wem Sie sich hier anlegen.

     

    grüße aus dem orangenen Untergrund, wir sind lecker und gesund!

  • A
    AlexsZander

    Also derart drück ich mich ja eigentlich normalerweise nicht aus, aber dieser Artikel war für mich einfach mal dämlich, nichtssagend und unnötig.

     

    Warum hat die Autorin ein Problem mit dem Kürbis. Ok, wir haben gelernt, dass früher nichts so viel Kürbis gegessen wurde, aber warum soll das denn bitte ein Argument gegen den Kürbis sein?! Ein Argument im Stile, "früher war es nichts so, also soll es heute auch nicht so sein," erwarte ich vielleicht von so manchem erzkonservativen oder reaktionären, aber doch nicht von der taz die sich gerne als progressiv, liberale Zeitung sieht.

    Warum sollen wir jetzt weniger Kürbis essen?! Weil die Autorin etwa schon viel zu viel davon gegessen hat und jetzt davon einfach genug hat?

  • RB
    Rainer Baumann

    Kürbis ist was für Leute, die keine Ahnung vom Essen und Trinken haben. Kürbis schmeckt nicht.

    Macht lieber eine Kartoffelsuppe, Leute, ich verrate Euch gern mein Rezept.