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Herausforderer beim Giro d'ItaliaDer Beste vom Rest

Der Giro d'Italia scheint eine slowenische Ein-Mann-Show zu sein. Der Kolumbianer Dani Martinez versucht jedoch an Tadej Pogacar dranzubleiben.

Typische Szene: Tadej Pogacar fährt Dani Martinez davon Foto: Jennifer Lorenzini/reuters

Cusano Mutri taz | Der Giro d’Italia schien in der ersten Woche eine Ein-Mann-Show zu sein. Es dauerte nur einen Tag, dann holte sich Tadej Pogacar das rosa Trikot. Der Slowene dominierte die Bergetappen, er gewann das erste Zeitfahren. Und zuletzt betätigte er sich auch noch als Anfahrer im Massensprint, ganz so, als verfüge er über unerschöpfliche Kräfte und sei wie einst Obelix in das Fass mit dem Zaubertrank gefallen, ohne allerdings dabei die Figur des dicken Galliers anzunehmen.

Im Schatten des Slowenen immerhin tut sich was. Als Bester des Rests hat sich der Kolumbianer Dani Martinez herauskristallisiert. Er hielt sowohl auf der zweiten Etappe des Giro dagegen, als Pogacar in Rosa fuhr. Martinez gewann den Spurt um Platz zwei. Er war beim Zeitfahren derjenige, der unter den Klassementfahrern am wenigsten Zeit auf Pogacar verlor – eine Minute und 48 Sekunden.

Und bei der letzten Bergankunft, der in Prati di Tivo am Samstag, schnupperte er sogar am Etappensieg. „Ich dachte, das würde mein Tag heute werden. Aber dann war Pogacar doch stärker als ich“, sagte der Kapitän des Bora-hansgrohe-Rennstalls. Erneut wurde er Zweiter, setzte sich in der Gesamtwertung noch ein wenig mehr ab vom Dritten, dem früheren Toursieger Geraint Thomas.

Im Visier: das Podium

Ich habe bisher einen guten Giro hingelegt. Aber es gibt einen überragenden Fahrer, natürlich

Dani Martinez, Zweiter hinter Pogacar

Martinez kann für sich auch geltend machen, dass er den erhofften Etappensieg am Samstag vor allem deshalb verpasste, weil Pogacar ihn als Rivalen ernst nimmt. „Er hat in dieser Saison schon einige gute Resultate eingefahren. Wir wissen auch, dass er gut im Bergsprint ist. Wir konnten ihm nicht einfach das Terrain überlassen“, sagte der Slowene über den Kolum­bianer. Also ließ er seine Teamkollegen arbeiten, sodass sie am Anstieg ein Tempo vorlegten, das perfekt zu seinen Beschleunigungscharakteristika passte.

Dann setzte sich Pogacar doch noch so deutlich durch, dass er zehn Meter vor dem Ziel völlig ungefährdet die Arme zum Triumph heben konnte, seinem bereits dritten Triumph in den ersten neun Tagen dieses Giro d’Italia. Martinez immerhin war in der an eine Perlenkette erinnernden Aufreihung der Fahrer dahinter der eindeutig Beste. Das lässt die Hoffnungen auf einen Podiumsplatz am Ende der Rundfahrt wach bleiben.

„Ich habe bisher einen guten Giro hingelegt. Es gibt einen überragenden Fahrer, natürlich. Aber mit der Leistung, die ich gezeigt habe, kann ich zufrieden sein“, sagte der Kolumbianer. Anmerken muss man auch noch, dass er sich von kleineren Malheurs und Rückschlägen nicht beeindrucken lässt. Auf der zweiten Etappe verhinderte zunächst ein Defekt, dass er unmittelbar dem Angriff Pogacars folgen konnte.

Er kämpfte sich in die Verfolgergruppe zurück. Und dank der Führungsarbeit seines famosen, mittlerweile aber krankheitsbedingt ausgeschiedenen Teamkollegen Florian Lipowitz konnte er den Rückstand auf Pogacar begrenzen und sich selbst bereits als Bester des Rests in Position bringen. Einen Sturz musste er auch schon wegstecken, auf der 6. Etappe dieses Giro. Er war aber wieder schnell auf dem Rad und kam noch in den Top 10 des Tages an.

Weil sie gewinnen wollen

Sich durchzubeißen hat Martinez gelernt. Kolumbianische Medien weisen gern auf seine einfache Herkunft hin. Die Eltern verdienten ihr Geld als Straßenhändler. Er selbst steuerte seinen Anteil zum Schulgeld bei, indem er in den Pausen Eis auf dem Pausenhof verkaufte. Bildung erwerben, für diese Chancen aber auch schon arbeiten und außerdem an einer Radsportkarriere arbeiten, die den Weg aus der Armut verspricht, war früh der Lebensdreiklang des Dani Martinez. Damit hat er es weit gebracht.

Ein Etappensieg bei der Tour de France sowie der Gesamtsieg der renommierten Dauphiné-Rundfahrt in seiner bislang besten Saison im Jahr 2020 stehen bereits zu Buche. Vierfacher Landesmeister im Zeitfahren ist er auch. „Wegen der vielen Zeitfahrkilometer haben wir ihn auch als Kapitän zu diesem Giro mitgenommen“, erklärte Boras sportlicher Leiter Enrico Gasparotto.

Und weil man beim Raublinger Rennstall weiß, wie man auch gegen überlegene Konkurrenz einen Giro d’Italia gewinnen kann – im Jahr 2022 gelang das mit Jai Hindley unter anderem gegen die früheren Giro-Sieger Richard Carapaz (Ekuador) und Vincenzo Nibali (Italien) –, ist noch nicht gesagt, dass die nächsten zwei Wochen zum Schaufahren für den rosa gewandeten Slowenen werden.

Rennfahrer fahren Rennen, weil sie sie gewinnen wollen. Dani Martinez hat sich eine Lauerstellung dafür erkämpft. Diese Position will er behaupten. Ganz aus den Augen hat er Tadej Pogacar trotz dessen unübersehbarer Überlegenheit aber nicht verloren. Der Kolumbianer stellt die größte Hoffnung für einen nicht komplett langweiligen Giro d’Italia dar.

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