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Hendricks-Äußerung zum Glyphosat-EklatVerzettelt

Ein Detail im Ärger um die Glyphosat-Abstimmung wird nicht genug gewürdigt: die Bedeutung des Sprechzettels. Was soll das sein?

So, erstmal den Sprechzettel rauskramen Foto: dpa

Berlin taz | Die geschäftsführende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ist ein Mensch, dem man gerne zuhört. Das liegt allerdings weniger an dem, was sie sagt: In einem Interview etwa, das sie am Dienstagmorgen dem Deutschlandfunk zur Glyphosat-Affäre gab, wurde deprimierend klar, dass die SPD aus dem Brüsseler Lobbyistengefallen von CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt keine große Sache zu machen gedenkt, sondern unbeirrt in Richtung Groko schlurft.

Dass man Hendricks als angenehm empfindet, liegt vielmehr an ihrer Weigerung, den aufgeplusterten Empörungssprech mitzumachen, bei dem dann doch nichts herauskommt und den negativ Spitze ihr Parteifreund, SPD-Vize Ralf Stegner, praktiziert – aktuell auch wieder zum Thema Glyphosat.

Aufhorchen bei dem morgendlichen Gespräch mit Hendricks ließ aber etwas ganz anderes: ein Wort – das Wort „Sprechzettel“. Auf die Frage des Moderators Philipp May nach der Praxis, ob es nämlich üblich sei, dass man als Minister nach Brüssel fahre, um dann dort spontan die Giftspritze anzusetzen, bemühte Hendricks gleich vier mal den „Sprechzettel“: Der sei zwischen den Ministerien abgestimmt gewesen, den habe ein Beamter mit nach Brüssel genommen, an den habe er sich nicht gehalten, von dem sei er auf Weisung Schmidts abgewichen.

Auf in den Duden!

Die Verwendung dieser sowohl dem Grimmschen Wörterbuch als auch dem aktuellen Duden unbekannten Vokabel, zu der selbst Wikipedia nur einen belegfreien Kurzeintrag liefert, muss Hendricks sehr wichtig gewesen sein. Der „Sprechzettel“ ist ihr Beweis, die smoking gun, dass Gift-Schmidt gegen die Geschäftsordnung der Regierung verstoßen hat, wie dann am Nachmittag auch Kanzlerin Merkel einräumte.

Der Sprechzettel darf damit mittelfristig nicht nur auf die Dudenaufnahme hoffen, er hat vielmehr das Zeug, zur Geschäftsgrundlage der neuen, vertrauensvoll zusammenarbeitenden Großen Koalition zu werden: Solange jedenfalls bis statt seiner wieder das real gebrochene Wort gilt – wie eben in Brüssel geschehen.

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7 Kommentare

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  • Schmidt beansprucht nach eigener Aussage die "Richtlinienkompetenz", die nur der Kanzlerin zusteht, für sich und sein Ressort.

     

    Merkel wird durch diesen Alleingang mehr beschädigt, als die SPD. Sie sollte sich nicht nur von Schmidt trennen, sondern besser gleich von der gesamten CSU.

  • Verliert die SPD jede Selbstachtung? Ein Koalitionsvertrag ist ein Vertrag! Dieser wurde von CDU, SPD und natürlich auch von der CSU geschlossen. Und darin steht, dass bei Uneinigkeiten wie im gegebenen Fall eine neutrale Haltung eingenommen wird, also hier sich der Stimme (der von einer Koalition gebildeten Bundesregierung!) enthalten wird.

     

    Kann man es da verstehen, dass sich ein wild Gewordener , der sich selbst als ein mit der ultimativen Weisheit Gesegneter sieht, diesen Vertrag ungestraft bricht. Da lacht man doch, wenn er von Merkel 'gerügt' wird! Wer weiß, ob diese Reaktion zuvor abgesprochen war?

     

    Da kann man der Auffassung der Grünen zustimmen. Um eine Glaubwürdigkeit wieder herzustellen, kann Merkel eigentlich nur diesen sich selbst feiernden Minister entlassen!

  • Der Sprechzettel ist die SMS der SPD.

  • Jo, und ich höre gerade, dass Seehofer von der Abweichung vom Koalitionsvertrag schon lange wusste.

    D.h., die CSU war informiert, dass Schmidt dne Koalitionsvertrag verletzen wird.

    Sauber. Will da jemand die Hochzeit mit der SPD von langer Hand vorbereitet platzen lassen? Und somit der Kanzlerin in de Rücken fallen, weil damit eine GroKo gefährdet wird?

    Jetzt stellt er sich hin und "wundert sich über die Welle, die gegen Schmidt gemacht wird" (sinngemäss). Heuchler.

  • Bevor ein Minister - egal welcher - sich in einem Gremium und in der Öffentlichkeit zu einem Fachthema äußert, wird der Inhalt zuvor in und zwischen Ministerien, Abteilungen und Referaten abgestimmt und vorbereitet. Das Ergebnis ist dann ein Sprechzettel. Die meisten Minister halten sich daran, es sei denn ... sie wollen es aus politischen Gründen nicht.

     

    Weder Schmidt noch Hendriks haben sich ihre Meinung selbst erarbeitet ...

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...ist doch ganz einfach: Nicht im "Grimmschen Wörterbuch" nachschlagen, sondern in den Büchern von J. K. Rowling. Harry Potter ist voller "Sprechzettel" und nebenbei bemerkt, Frau Hendricks könnte auch als Eule durchgehen.

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @81331 (Profil gelöscht):

      Das ist eine Beleidigung....

      für die Eule!

      Ich bin zutiefst enttäuscht oder besser gesagt angewidert von der SPDlerreaktion, insbesondere auch der von Hendricks. Sie scherzt und lacht mit Merkel, alles ist bestens.

       

      Wir werden so verärgert.... von denen, egal welcher Farbe sie angehören.

      Habe gedacht die SPD ginge in sich und würde etwas ändern. Wie blöd bin ich eigentlich?