: Held vom Hollerland
Der Schlammpeitzger hat jetzt Verstärkung bekommen. Uwe Haesloop hat einen Tauchkäfer aus den Hollerlandgräben gefischt. Superselten. Und insofern superschön
Gewässerkundler wie Uwe Haesloop wissen, was Journalisten suchen. Aber mit etwas Hübschem, Bunten kann der gebürtige Nordbremer im unauffällig gemusterten Pullover nicht dienen - und braucht es vielleicht auch nicht. Denn schon hat sein jüngster Fund im Hollerland, der unscheinbare Tauchkäfer Graphoderus bilineatus, Strahlekraft bis in die europäische Naturschützerzentrale in Brüssel entwickelt.
Obschon bräunlich-unauffällig, kann der Schmalbindige Breitflügel-Tauchkäfer das Hollerland nun vielleicht doch noch ins europäische Naturschutzprogramm „Natura 2000“ befördern. Denn der „Bilineatus“ hat Seltenheitswert in deutschen Küstenregionen. Nur in Schleswig-Holstein soll es ihn noch geben. Allerdings wurde er dort vor Jahren zuletzt gesichtet - 1991 und nur in wenigen Exemplaren.
Die bremische Hollerland-Sippe dagegen tauchte erst 1999 auf, als niemand damit rechnete, dass eine zuletzt 1947 in Rickmers Park ansässige bremische Population noch irgendwo Spuren hinterlassen hätte - außer aufgespießt im Überseemuseum. Weswegen Haesloop anfangs vermutete, er sei vielleicht auf ein verirrtes Einzelexemplar gestoßen, einen Matthias Rust unter dem flugfähigen Tauchkäfern quasi. Der ist für Bestimmungszwecke zwar schon lange in Spiritus gelandet, aber trotzdem hat Haesloop unweit des Jan Reiners- Weges zuletzt sieben Artgenossen gezählt. “Das ist nur die Spitze eines Eisbergs“, sagt der Gewässerkundler. Insgesamt hat er nämlich rund ein Dutzend höchst schützenswerter Tierchen gefischt. „Alle rote Liste eins. Das ist doch besser als bunt“, trumpft er auf. „Ich betone lieber den Artenreichtum.“
Der Glaube an die Vielfalt war es auch, der den 46-Jährigen vor ein paar Jahren aus den Osterholzer Wassergräben ins Hollerland getrieben hatte. Und seine naturwissenschaftliche Skepsis. Ginge es nämlich nach Bremer Untersuchungen aus den 90er Jahren, so würden in den Feuchtwiesen des Hollerland nämlich kaum mehr Besonderheiten kreuchen, als etwa in den Gräben von Osterholz, wo der Biologe im Auftrag der Stadt damals arbeitete. „Das konnte ich nicht glauben“, begründet er, warum er sich also mit Genehmigung des Naturschutzamtes „als Privatgelehrter“ in das Gräbensystem hinter der Uni aufmachte. Heute zählt er dort - als freischaffender Limnologe wie es heißt - im Auftrag der Behörde schon im zweiten Jahr überwiegend bräunliche Unterwasser-Lebewesen: Schnecken, Muscheln, Käfer und Egel. 250 Arten insgesamt, davon 60 gefährdete und zwölf super-bedrohte, die das Naturschutzgebiet Hollerland so wertvoll machen, dass die Chancen, Brüssel könnte das Gebiet unter europäischen Schutz stellen, steigen.
Natürlich kennt Haesloop die Verdächtigungen von Naturschutzgegnern: Es könnte jemand den seltenen Käfer im Hollerland quasi angesiedelt haben, um den Grünflecken aufzuwerten und so vorm flächenfressenden Technologiepark zu schützen, heißt es aus der Ecke gerne. Dass in dieser Absicht allerdings irgend jemand seltenes Getier aussetzt - das hält Uwe Haesloop für wirklichkeitsfremd. „Woher will man so einen Käfer kriegen?“, fragt er. Und außerdem: „Ich habe mal versucht, einen vier Zentimeter großen Käfer wiederzufinden, den ich gerade vorher losgelassen hatte. Die findet man niemals wieder.“ ede
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