Heizen mit Gas künftig viel teurer: Kosten für Netze werden massiv steigen
Wer 2045 noch mit Gas heizt, wird sehr viel dafür zahlen, so eine Studie. Wegen der sinkenden Kundenzahl steigen die Gebühren für die Netznutzung.
Das Heizen mit Gas dürfte in den kommenden zwei Jahrzehnten völlig unabhängig von den Beschaffungskosten enorm teuer werden. Denn die Gebühren für den Gastransport durch das Rohrnetz werden drastisch steigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (Ifam) im Auftrag des Umweltinstituts München.
Der Hintergrund: Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden, das ist gesetzlich festgelegt. Bis dahin müssen alle fossilen Heizungen durch klimaneutrale ersetzt werden, das ist die sogenannte Wärmewende. Heute heizen noch 56 Prozent der Haushalte mit Gas. Diese Zahl dürfte erst nach und nach rasant sinken, weil die Installation neuer fossiler Heizungen in wenigen Jahren laut gesetzlichen Vorgaben nicht mehr möglich sein wird. Schon jetzt steigen die Kosten für den Betrieb des Rohrnetzes, über das das Gas zu den Verbraucher:innen gelangt. Diese Kosten werden auf die Kund:innen umgelegt, die sie als Teil ihrer Gasrechnung zahlen. Laut Fraunhofer-Institut werden die Netzbetreiber die Preise 2026 um 10 Prozent erhöhen.
Eine sinkende Zahl von Verbraucher:innen muss also für die Gas-Transportwege aufkommen. Da die Betriebskosten aber nicht sinken, wird es für die verbleibenden Kund:innen immer teurer, zeigt die Studie. Wer jetzt noch eine neue Gasheizung statt eine klimafreundliche Alternative wie eine Wärmepumpe einbauen lässt, muss bis 2045 allein aufgrund steigender Netzgebühren mit Mehrkosten von mehreren Tausend Euro im Jahr rechnen.
Für eine Modellrechnung haben die Wissenschaftler:innen einen Dreipersonenhaushalt zugrunde gelegt, der heute Netzkosten zwischen 300 und 400 Euro im Jahr zahlt. Dieser Haushalt müsste in den Jahren bis 2045 zwischen 3.300 und 4.300 Euro an Netzkosten zahlen. „Die Studie macht klar: Den Letzten beißen die Hunde“, sagt Till Irmisch vom Umweltinstitut München.
Kommunen können gegensteuern
Um die Kosten zu dämpfen, sollten Kommunen vorausschauend planen, mahnen die Wissenschaftler:innen des Fraunhofer-Instituts. Sie raten Städten und Gemeinden, bei der Wärmewende Viertel für Viertel vorzugehen. Denn so können Gasnetze in Teilen stillgelegt werden – was höhere Kosten verhindert. Allerdings haben Betreiber derzeit wenig Anreize, die Netze stillzulegen. Sie können die Kosten ja auf ihre Kund:innen umlegen.
Noch ist es nicht möglich, dass Kommunen den Betrieb von Gasnetzen rechtssicher einstellen. Das will das Bundeswirtschaftsministerium mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes ändern. Vorgesehen ist, dass die Betreiber die Stilllegung von Netzen zehn Jahre vorher ankündigen müssen. Diese Frist hält Fraunhofer-Experte Roland Meyer für zu lang. „Eine Ankündigungsfrist von zehn Jahren würde einen geordneten, schrittweisen Rückzug aus der Gasversorgung erschweren“, sagt er.
Unnötige Kosten könnten nur vermieden werden können, wenn Gasnetzbetreiber gezielt und früh wenig genutzte Netzteile außer Betrieb nehmen können. Meyer kritisiert außerdem, dass das Bundeswirtschaftsministerium es den Netzbetreibern überlassen will, wann sie den Ausstieg planen. Er plädiert dafür, dass die Betreiber verpflichtet werden, bis 2027 Ausstiegspläne vorzulegen.
Abstimmung mit kommunaler Wärmeplanung
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) fürchtet ebenfalls, dass verbleibende Haushalte durch die Stilllegung der Gasnetze finanziell überlastet werden könnten. „Deshalb ist es wichtig, diesen Prozess so früh und so gut wie möglich zu planen“, sagt Florian Munder, Teamleiter Energie und Bauen beim VZBV. Auch der Verband ist dafür, dass Betreiber der Netze eine Planungspflicht für die Stilllegung auferlegt bekommen – allerdings bis 2030. „Dann könnten diese Pläne besser mit der kommunalen Wärmeplanung abgestimmt werden“, erklärt Munder. Bis Mitte 2028 müssen Städte und Gemeinden Konzepte für die klimaneutrale Beheizung der Gebäude auf ihrem Terrain entwickeln, das ist die sogenannte kommunale Wärmeplanung.
Anders als das Fraunhofer-Institut hält Munder den Zehnjahreszeitraum von der Ankündigung bis zur Abschaltung der Gasnetze für richtig. „Die Haushalte brauchen Planungssicherheit“, sagt Munder. Diese Frist bedeute nicht, dass die Betreiber Netze nicht vorher stilllegen können. Sie müssen dann aber ihren Kund:innen überzeugende Angebote machen, damit die sich darauf einlassen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) dagegen lehnt die Zehnjahresfrist ab. „Diese starre Regel finden wir nicht gut“, sagt DUH-Wärmeexperte Konstantin Zerger. Er fürchtet, dass Betreiber länger als nötig am Betrieb ihrer Gasnetze festhalten. Zehn Jahre seien ein zu großer Zeitraum. „Jetzt zu entscheiden, was in zehn Jahren richtig ist, ist kaum möglich“, betont er. Der Prozess der Stilllegung werde sich zum Ende hin beschleunigen. Deshalb müsse die Möglichkeit bestehen, den Netzbetrieb kurzfristig einzustellen.
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