Heime der Haasenburg GmbH: Jungen erneut aus Heim geflohen
Schon wieder sind drei Jugendliche aus einem Heim der Haasenburg GmbH geflüchtet. Zwei von ihnen sind inzwischen wieder gefasst.
BERLIN/HAMBURG taz | Tobias* und André*, zwei Jugendliche, die in einem Heim der Haasenburg Gmbh untergebracht waren sind am Montag weggelaufen. Schon Anfang Juli waren die beiden einmal geflüchtet und später wieder dorthin zurückgebracht worden. Sie waren in dem Heim in Neuendorf in Brandenburg untergebracht.
Die Jungen starteten nach eigenen Angaben schon vormittags um 11 Uhr einen 45 Kilometer langen Fußmarsch, teilweise durch Wälder. Dann fuhren sie per Anhalter nach Berlin. Dort nahmen sie Kontakt zu einer Person auf, die den Jugendnotdienst in Berlin-Charlottenburg und die taz informierte.
Ein taz-Redakteur traf die beiden 17-Jährigen an einem S-Bahnhof und brachte sie zum Jugendnotdienst in der Mindener Straße. Zuvor soll eine Notdienst-Mitarbeiterin einer Kontaktperson der Jungen am Telefon versichert haben, dass sie bis zur Klärung ihrer Situation dort bleiben könnten und nicht sofort in ein Heim des Skandal-Trägers zurückgeschickt würden.
In dem Gespräch bei dem Jugendnotdiest soll einem der beiden Jungen, Tobias, der aus dem Saarland stammt, dann eröffnet worden sein, dass er zurück in das Heim müsse. Er soll daraufhin aus einem Toiletten-Fenster des Jugendnothilfedienstes geklettert und geflüchtet sein. Zuvor soll ein Polizeiwagen auf den Hof gefahren sein. Dem aus Hamburg stammenden André soll angeboten worden sein, dass er in seine Heimatstadt reisen könne.
Sowohl die zuständige Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) wie auch der Berliner Jugendnotdienst wollten sich mit Bezug auf den Sozialdatenschutz der Minderjährigen nicht gegenüber der taz äußern.
Gewalt und Demütigung
Nach Informationen der Hamburger Linkspartei sind insgesamt drei Jugendliche geflohen, von denen zwei schon wieder eingesperrt sind. „Ein Junge ist von der Polizei aufgegriffen und in die Haasenburg GmbH zurückgebracht worden“, berichtet deren Landessprecher Bela Rogalla. Der zweite sei in einem anderem geschlossenen Heim. Außerdem gebe es noch einen dritten Geflohenen, der untergetaucht sei. „Die Tatsache, dass drei Jugendliche erneut so eine anstrengende Flucht auf sich nehmen, zeigt, dass sie den Zwang, die Gewalt und die Demütigung in der Haasenburg nicht mehr ertragen können.“
Wie inzwischen bekannt wurde, handelt es sich bei dem dritten Jugendlichen offenbar um ein Mädchen. So berichtet RP Online unter Berufung auf Angaben des Brandenburgischen Bildungsministeriums, ein Junge und das Mädchen seien bereits aufgegriffen worden. Der Jugendliche aaus Saarbrücken sei immer noch weg.
Die beiden Jungen waren aus Angst vor den Erzieher der Haasenburg GmbH bereits am 2. Juli zusammen mit einem dritten Jungen geflüchtet. Sie hatten Misshandlungsvorwürfe erhoben, die Anlass für den vorübergehenden Belegungstopp der Einrichtung und die Suspendierung von Mitarbeitern waren. Beides war von der zuständigen Brandenburgischen Bildungsministerin Martina Münch (SPD) verfügt worden.
Der Anwalt der Jungen, Rudolf von Bracken, setzte damals vor Gericht durch, dass die Jungendlichen in eine andere Einrichtung gebracht werden müssen. Für André soll noch in dieser Woche ein Platz nahe Hamburg gefunden werden. Die Einrichtung, die Tobias aufnehmen wird, wartet noch auf eine Genehmigung. „Beide bräuchten noch eine Übergangslösung für wenige Tage“, sagte von Bracken. Die Heime der Haasenburg GmbH produzierten Aggressionen und Fluchtgedanken; diese Einrichtung mache „pädagogisch keinen Sinn mehr“, so der Anwalt.
Die Haasenburg GmbH äußerte sich zu den Jungen. Die Firma, die auf den Sozialdatenschutz achten müsste, hat auf ihrer Homepage einen anonymen Brief gepostet. In der vermeintlichen Äußerung einer Bewohnerin werden die geflüchteten Jungen nun diffamiert.
Der Belegungsstopp für die Haasenburg GmbH ist bis zum 31. August befristet. Offen ist, ob Bildungsministerin Martina Münch diesen verlängert. Am Freitag trifft sich deshalb der Brandenburgische Bildungsausschuss in einer Sondersitzung. Weil die Vorwürfe nicht ausreichend geklärt seien, treten SPD, FDP, Grüne und Linke für eine Verlängerung ein.
*Namen von der Redaktion geändert
Leser*innenkommentare
gast
Gast
wie kann erwartet werden das ein betroffener offen über misshandlungen spricht,wenn er weiter unter der kontrolle des Täters steht?
Lutz Adler
Gast
Hallo, Rainer Kress
Du bist mit diesem Vorschlag nicht allein! Ich so den dies benötigt würde unterstütze den noch „flüchtigen“ nach Kräften.
Sollte das von Nöten sein.
Ideen habe ich so wie du, jede Menge und eine Diplom Sozialpädagogin im Haus die mit Entsetzen zur Kenntnis nimmt was in unserem Lande im Jahre 2013 mit Kindern so veranstaltet wird und wie handlungsunfähig die Politik indessen ist.
Ein Reporter der taz wird auch mich finden oder einen Kontakt herstellen können.
Lutz Adler / Frankenberg -Eder
Rainer Kress, Hamburg
Gast
@Lutz Adler
Hallo Lutz,
als ehemaliges Heimkind und auch ehemaliger Alleinerzieher verfüge ich heute über ein kleines aber feines Netz. Auch Sozialarbeiter, die selber Kinder besonders mit erheblichen 'Störungen' in Pflege hatten.
Ich möchte mein Netz schön verborgen halten, damit es keinen Kummer gibt.
Vielleicht finden sich noch mehr Unterstützer und wir können daraus ein großes Netz bauen um diese Heime auszubluten. Weil, keine Kinder - keine Tagesätze.
Rainer Kress, Hamburg
Exerzieher
Gast
Zur Erlangung einer Betriebserlaubnis sind hauptsächlich organisatorische Dinge zu beachten. Unter den Seiten des Landesjugendamtes Bayern ist nachzulesen, dass sie nicht dafür zuständig sind, die optimale Heimerziehung zu gewähren (die es wohl auch nicht gibt), sondern darauf zu achten, dass Mindeststandards eingehalten werden. Ist doch super, geht doch nur um Kinder und Jugendliche! Somit gewährt wohl niemand, dass optimal gearbeitet wird!
Rainer Kress, Hamburg
Gast
Wenn der Dritte, noch 'flüchtige' Unterstützung braucht, findet ein taz-Redaktuer oder ein Sprecher der Linkspartei eine Möglichkeit mich zu kontaktieren.
Ich habe mehr als eine Idee wie den Jugendlichen geholfen werden kann.
Fawkrin
Das pädagogische Konzept der Haasenburg hat noch nie Sinn gemacht. Ich wundere mich, warum dieser Laden überhaupt eine Betriebserlaubnis bekommen hat. Landesjugendämter sind wohl leicht zu verarschen.
ohne worte
Gast
Ich bin fassungslos, was muss noch passieren, dass die da rausgeholt werden? Warum und mit welchem Recht wird das Vertrauen dieser Kinder so gebrochen und missbraucht? Wenn bei einer weiteren Flucht einer vor ein Auto oder einen Zug läuft dann war es ein Unfall, selbst schuld, niemand hat damit zu tun, alle haben ihre Arbeit gemacht, ihre Pflicht getan, die Akten sind in Ordnung. Wer beschützt den einen Jungen, der zurück in dieses Heim musste??? Es ist zum Kotzen. Wenn kein Platz für ihn frei ist, woanders, warum geht nicht ein neutraler Betreuer für die 2-3 Tage mit rein???
Dennis Bartos
Gast
Das musste so kommen.
Personal das um Arbeitsplätze bangt.
Kollegen denen wegen des Belegungsstopp bereits gekündigt wurde.
Das die Jugendlichen dies nun zu spüren bekommen war doch klar.
Hat die Haasenburg nicht gegen den Datenschutz verstoßen, in dem sie dem Mädchen auf der Internetplattform der Haasenburg erlaubt haben Details preizugeben?