Heiligenskulptur in Sachsen-Anhalt: Kaiser Otto und der Schwarze Ritter
Er ist Schwarz, kommt aus Afrika und wohnt seit 800 Jahren in Magdeburg gegenüber dem Landtag. Mauritius und seine Verehrung sind ein Lichtblick.
Der Magdeburger Dom mit der Grablege Ottos I. ist das Wahrzeichen der Landeshauptstadt. Zum „Dritten Rom“ wollte der erste Kaiser des Heiligen Römischen Reiches seine Lieblingspfalz machen. Geklappt hat es nicht, doch eine prächtige Kulisse ist die Kathedrale bis heute. Und so ist der Domplatz Versammlungsort vieler politischer Gruppierungen – auf der Nordseite der Landtag, im Süden der Dom und zwischendrin viel Platz für Protest, natürlich auch für die Aufzüge von AfD-Anhängern und „Patrioten“ gegen „Asyl-Chaos“, kulturelle „Überfremdung“ und natürlich für die Rettung des Abendlandes.
Was den Dom St. Mauritius und Katharina betrifft, kommen sie 800 Jahre zu spät. Der Bau wird seit dem Mittelalter von einem Schwarzen beherrscht, seine Abbilder finden sich dutzendfach. „Über dreißig Mauritiusdarstellungen gibt es im Dom“, berichtet Siegfried Wronna. Als dienstältester Domführer kennt er den Heiligen und seine Plätze, „versteckt in der Ernst-Kapelle, hoch oben an der Westfassade und natürlich im Hohen Chor.“
Der Torso dort, eine gotische Figur neben dem Grab Ottos, ist der kunsthistorisch bedeutsamste Mauritius – ein Ritter mit Kettenhemd und Brustpanzer, geradezu naturalistisch. „Der Bildhauer muss dunkelhäutige Menschen gekannt haben“, ist Wronna sicher. Es gebe viele Mauritius- oder Moritzkirchen in Deutschland, auch mit Abbildern. Diese Skulptur aber ist „die erste figürliche Darstellung eines Schwarzen im mitteleuropäischen Raum“.
Seine Legende: Zwischen 282 und 289 wurde die gesamte Thebäische Legion, 6.600 Soldaten, die vermutlich aus dem ägyptischen Theben stammten, als Märtyrer hingerichtet. Sie sollen sich unter ihrem Anführer Mauritius geweigert haben, an der Christenverfolgung unter Diokletian teilzunehmen. Das alles habe sich auf dem Gebiet der heutigen Schweiz zugetragen, wo St. Maurice Zentrum der Verehrung wurde.
Er überrasche nicht sehr
Und Magdeburg? Das hat mit Otto zu tun, sagt Wronna. Als dieser mit seinem Heer 955 gegen die Ungarn zog, führte er die Heilige Lanze mit sich, die angeblich einen Nagel vom Kreuze Christi enthält und Mauritius gehört haben soll. Die Schlacht auf dem Lechfeld war siegreich, die Lanze wurde Teil der Reichskleinodien und Mauritius in Magdeburg verehrt. Der Dom wurde errichtet und die Mauritiusdarstellungen zahlreicher.
Siegfried Wronna, Domführer
Der Torso kam 1955, quasi als Wache, an Ottos Grab, und im Dommuseum nebenan präsentiert sich seit 2019 ein vollständiger Mauritius als „Schwarzer Ritter“, aus dem 3-D-Drucker mit Schild, Fahne und goldenem Kettenhemd.
Bei Führungen überrasche der dunkelhäutige Heilige neben Ottos Sarkophag nicht sehr, erzählt Wronna, der seit 1970 Rundgänge anbietet. Ihn selbst überrasche, wie wenig Kenntnisse seine Gäste haben. Das sei am Anfang anders gewesen. „Heute können die wenigsten Leute geschichtliche Sachen noch einordnen“, beklagt der Wronna den Kulturverlust.
Das Abendland, es ist tatsächlich bedroht, doch nicht von „Schwarzen Rittern“. Wer dagegen ankämpfen will, dem sei ein Rundgang mit Siegfried Wronna empfohlen. Führungen dürften bald wieder möglich sein.
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